Deutsches Museum des Katers

Ist Saufen Kunst?

Der Künstler Max Kersting sammelt Fotos von verkaterten Menschen und zeigt diese auf einem Tumblr. Das Ganze nennt er "Deutsches Museum des Katers" und kürt sich selbst zum Kurator. Ist Saufen jetzt Kunst?

Man nehme einen Künstler, eine Menge Fotos von verkaterten Menschen und einen Tumblr. Der Künstler wird zum Kurator, der Tumblr zum "Deutschen Museum des Katers" und die Menschen freuen sich. Denn endlich braucht es mal keinen #catcontent, damit irgendwas mit Kater sich im Internet rasant viral verbreitet. Wo sonst immer ironisch, gehässig oder allen Ernstes gefragt wird, "Ist das Kunst oder kann das weg?", wird jetzt kommentarlos verkündet: Saufen ist Kunst. Von A wie Art Magazin, über B wie Buzzfeed bis S wie Schlecky Silberstein.

Der Künstler freut sich mit. "Aufmerksamkeit ist immer wieder ein tolles Gefühl", schreibt Max Kersting auf Instagram. Und da der Hipster in der Großstadt sogar über kuratierte Käse-Kisten vom Käse-Kisten-Kurator in Ekstase gerät, kann Kersting mit gutem Gewissen den Titel Kurator des Deutschen Museum des Katers tragen.

Kersting ist eigentlich dafür bekannt, dass er auf Flohmärkten, in Antiquariaten und auf ebay nach Fotos sucht und diese mit lustigen Sprüchen versieht, die nicht jeder witzig findet. Schon seit einiger Zeit sammelt er auch über seinen Tumblr Fotos von Menschen, die ihren Zustand beim Auslösen der Kamera sicherlich ebenfalls als nicht ganz so lustig empfanden. "Wahrhaftig verkaterte Selbstporträts deutscher Individuen" lautet der Titel der – wenn man so will – ersten Ausstellung des Deutschen Museum des Katers. Was man dort zu sehen bekommt, sind rote und glasige Augen, aufgedunsene und zerschundene Gesichter und wirres Haar von Menschen in Betten, Küchen, Badezimmern oder auf Straßen.

Vor wenigen Wochen sprach der Modefotograf Juergen Teller in einem Interview über seine Mayr-Kur, über Yoga, Wassergymnastik und eine Maschine, die ihm literweise Wasser in den Darm pumpte. Erst in der Klinik habe er gemerkt, wie fertig er sei. Jahrelang habe er 35 Zigaretten am Tag geraucht, nur wenig Alkohol trinken konnte er nicht. "Saufen ist Arbeit. Saufen ist ein Beruf", sagt Teller. Aber offenbar kein guter. Denn mit dem Trinken hat er inzwischen aufgehört. 12 Kilo hat er abgenommen. Auf Fotos war in letzter Zeit zu sehen, wie er mit Nordic Walking Stöcken im Gebüsch herumstochert und durch einen Fluß watet. Katerfotos wird man von ihm in Zukunft wohl nicht zu sehen bekommen.

Auf Juergen Teller beruft sich der Fotograf Tim Bruening, wenn er auf Instagram seine Fotos aus dem Deutschen Museum des Katers teilt und mit den Hashtags #saufenistarbeit, #saufenisteinberuf versieht und um #saufenistkunst ergänzt. Warum Saufen Kunst ist, habe ich ihn gefragt. "Man muss den richtigen Pegel finden und ihn halten können, das kann mitunter richtig in Arbeit ausarten. Man will ja schließlich am nächsten Tag einen anständigen Kater präsentieren. In der Malerei bedeutet ein Strich zu viel oft, das ganze Gemälde ist für den Arsch. Beim Saufen hingegen kann ein Bier zu viel ein Meisterwerk hervorbringen."

Ein Bier zu viel kann für die Malerei noch ganz andere Konsequenzen haben. Im Jahr 1956 ist Jackson Pollock mit 44 Jahren nach einem Drink zu viel mit dem Auto in einen Baum gekracht und tödlich verunglückt.