Michael Schmidt in Leverkusen

Arme Schweine

„Früchte bringet das Leben dem Mann; doch hangen sie selten / Rot und lustig am Zweig, wie uns ein Apfel begrüßt.“ Stammt von Goethe, wäre heute für Werbetexter in der Nahrungsmittelbranche brauchbar. Im Museum Schloss Morsbroich trifft der Dichter, der als Profilrelief über einer Tür angebracht ist, auf einen von Michael Schmidt fotografierten grünen Apfel. Das Modell Granny Smith liegt auf einer schnöden Styroporunterlage. Tragen Gartenfreunde und Kultivierungsfanatiker wie Goethe womöglich Mitschuld am inzwischen vollkommen verwahrlosten Verhältnis zwischen Mensch und Natur? Schmidts neue Fotoserie „Lebensmittel“ zeigt die Tristesse der Obstplantagen von heute, der Süßwarenfabriken, Großbäckereien, Zucht- und Schlachtbetriebe. Das spätbarocke Ambiente des Ausstellungsorts (kelternde Putten) sorgt zusätzlich für einen bitter-ironischen Beigeschmack.

Vier Jahre lang reiste der 1945 geborene Fotograf quer durch Europa zu Plätzen der Nahrungsmittelherstellung. Firmennamen und -orte bleiben ungenannt, es werden weder spektakuläre Missstände aufgedeckt noch Horrorbilder vorgeführt. Bestürzend wirken die Arbeiten in der Dramaturgie der Reihe, manchmal Stoß an Stoß als Bilderfries gehängt. Schmidt macht augenfällig, wie Optimierungswahn und Effektivitätszwang jeden Produktionsbereich durchdringen. Dabei bewegt sich der Künstler in den klassischen Genres der Fotografie: die Landschaft (als Monokultur), der Mensch (als Billigkraft), das Tier (als Rohstofflieferant).

Dass es den Bildern an Zauber fehlt, ist kein Mangel, sondern das eigentliche Thema der Serie. Michael Schmidt enthüllt die durchökonomisierte Welt hinter der Landliebe-Verpackung. Von der Wurstscheibe bis zur Tomate wird alles genormt, wobei Schmidt die Aufmerksamkeit auch auf den Ausschuss lenkt, etwa das, was auf dem Masthof vorzeitig verendete. Traurige Kuhaugen, arme Schweine.

Innerhalb der schwarz-weißen Reihe setzt der Fotograf, erstmals in seinem Werk, einige Farbakzente und erzeugt damit kaum kulinarische Effekte. Nur in Farbe wirkt die schwitzende Bärchenwurst mit dem Grinsegesicht so obszön, wie das Produkt wirklich ist. Du bist, was du isst – weiß man ja. Bei Michael Schmidt kann man es auch spüren.

Museum Morsbroich, Leverkusen, bis 13. Mai