Hochschulkunst auf der art karlsruhe

Zart und stark

Sanga An "I got your back", 2024
Foto: © Sanga An

Sanga An "I got your back", 2024

Frischer geht's kaum: In der Sektion "academy:square" auf der Kunstmesse art karlsruhe rollt der Nachwuchs von den Kunsthochschulen das Feld neu auf

Es haben sich viele Messen auf die Fahnen geschrieben, den künstlerischen Nachwuchs zu unterstützen. Doch selten geschieht das so direkt wie beim "academy:square" der art karlsruhe. Hier können sich in einer eigens reservierten Sektion Studierende der Kunsthochschulen der Region direkt vorstellen. Die Staatliche Akademie der Bildenden Künste (AdK) Karlsruhe, die Staatliche Hochschule für Gestaltung (HfG) Karlsruhe und die Staatliche Akademie der Bildenden Künste (ABK) Stuttgart sind Partner des Projekts. Aus diesen renommierten Hochschulen präsentieren 16 Studierende ihre Werke, ausgewählt in Kooperation mit Monopol.

Im vergangenen Jahr feierte das neue Format sein Debüt – und gleich mit großem Erfolg. Es entstand eine lebendige und abwechslungsreiche Ausstellung als offener Mix von Malerei, Skulptur und Installation. Und auch in diesem Jahr ist die Auswahl vielversprechend. Sanga An von der ABK Stuttgart, in Südkorea geboren, mischt in ihrer Malerei Surrealismus und Popkultur. Ihre Bilder könnten aus den psychedelischen 1960er-Jahren stammen und wirken doch ganz zeitgemäß. Wenn Häuser ihre Mäuler aufsperren und Busse lange Schlenkerarme haben, wenn Tiere und Menschen ineinandermorphen und die Möbel lebendig werden, trifft Humor auf das Unheimliche.

Abstrakter sind die Bilder der ABK-Studentin Noemi Strittmatter, die Figuren und Flächen in der Balance lässt und Motive auf raffinierte Weise andeutet, ohne sie auszuformulieren. Manchmal kreuzen Pinselstriche als reine malerische Gesten die Gegenständlichkeit, dann wieder lässt Strittmatter die Rückenansicht einer Figur geschickt in präzise in das Rechteck des Bilds eingepasste Formen und Flächen kippen und schafft damit eine sehr offene, spannende Malerei.

Noemi Strittmatter "beidseitig", 2024
Foto: © Noemi Strittmatter

Noemi Strittmatter "beidseitig", 2024

Elisa Lohmüller dagegen, ebenfalls von der ABK Stuttgart vorgeschlagen, ist in ihrem konzeptuellen, mal bildhauerischen, mal fotografischen Werk auf der Suche nach Spuren. Sie arbeitet mit Bioplastik, das sie mit der Hand auf den Bildträger aufbringt, fotografiert für eine kühle, präzise Fotoserie die ledernen Sitze der Le-Corbusier-Sessel in der Staatsgalerie Stuttgart, die von den Hinterteilen zahlloser Museumsbesucher in glänzende Falten gelegt wurden, oder sie reibt Schmutz aus der Züricher S-Bahn in die Wand ein und schafft daraus minimalistische Wandgemälde.

Elisa Lohmüller "in partikeln existieren", 2022
Foto: © Elisa Lohmüller

Elisa Lohmüller "in partikeln existieren", 2022

Mit Markus Gehrig und Benedikt Waldmann kommen noch zwei weitere installativ arbeitende Künstler von der ABK Stuttgart hinzu, außerdem die aus Korea stammende Yena Kim, die sich in ihren originellen Wandarbeiten am Bildreservoir der chinesischen Kulturrevolution bedient.

Die ausgewählten Studierenden von der AdK Karlsruhe arbeiten in der Mehrheit mit der Malerei. Direkt auf den Körper zielt Selma Grunau – auf das Äußere wie auf das Innere. Die Protagonistinnen ihrer durchaus drastischen Gemälde kotzen oder bluten, mit expressivem Pinselstrich fokussiert sie auf Fleischstücke und pralle Würste, zeigt einen Torso, der seine Gedärme enthüllt, oder die Operationsnarben nach einer Mastektomie – "Self Made Man" heißt das Bild von 2022.

Selma Grunau "Ohne Titel", 2023
Foto: © Selma Grunau

Selma Grunau "Ohne Titel", 2023

Ihre Kommilitonin Ye Qian, geboren in China und seit 2018 in Karlsruhe, teilt interessanterweise diese Liebe zu Würsten, allerdings ist ihre hauptsächlich in Pinktönen gehaltene Bildwelt deutlich weniger drastisch. Auch sie scheint beim Metzger gut aufgepasst zu haben und weiß, wie eine Fleischwurst hängt, aber bei ihr haben die Würste gelegentlich stachelige Haare und werden so zu seltsamen Raupen, als hätten sie sich mit den Kakteen gekreuzt, die sich in einem Gemälde zu ihnen gesellen. Sogar die Fußböden können bei Ye Qian überraschend haarig werden – das Surreale triumphiert auch hier.

Ye Qian "Untitled", 2024
Foto: © Ye Qian

Ye Qian "Untitled", 2024

Zarter sind die Farbwolken, die Thomas Morgan in Pastell auf Kreidetafeln zaubert. Seine neo-expressionistischen Landschaften, Interieurs und Figuren irgendwo zwischen Blauem Reiter und Comic malt er auch in Öl – aber alles andere als klassisch, denn er heftet den Stoff ungespannt ohne Rahmen an die Wand, und er geht damit auch in den Raum und schafft Skulpturen aus den bemalten Leinwänden. Dazu kommen noch Wenhao He mit seinen von der Gruppe CoBrA und Kinderzeichnungen beeinflussten Bildern und Changxiao Wang mit farbstarker, leicht abstrahierender Malerei sowie Paul F. Millet mit vom Readymade inspirierten Installationen.

Thomas Morgan "Root of life", 2024 (hinten); "Fountain of life", 2024 (rechts); "Circle of life", 2024 (vorne)
Foto: © Thomas Morgan

Thomas Morgan "Root of life", 2024 (hinten); "Fountain of life", 2024 (rechts); "Circle of life", 2024 (vorne)

Experimentell und interdisziplinär ist die Kunstausbildung an der HfG Karlsruhe, von diesen Studierenden ist wenig Interesse für Öl auf Leinwand zu erwarten. Hannah Gebert bezieht sich trotzdem überraschend intensiv auf die Kunstgeschichte. Sie benutzt in ihren skulpturalen Objekten die traditionsreiche Technik des Stuckmarmors, die im Italien des 18. Jahrhunderts ihre Blütezeit erlebte, und beschäftigt sich damit gleichzeitig mit der hochaktuellen Frage, was echt ist und was fake. Recherchen sind auch für Lukas Klein wichtig, der an der Grenze von Konzeptkunst und Design Materialien untersucht.

Hannah Gebert "Fake it till you make it", 2024
Foto: Lukas Clark

Hannah Gebert "Fake it till you make it", 2024

Die Praxis von Leo Schick reicht von Zeichnung über Glasarbeiten und Neons bis zu Stickereien auf Jeansjacken. Spontaneität nimmt bei jedem Experiment einen hohen Stellenwert ein, mit einer Recherchemethode, die Schick selbst einmal "clumsy research" genannt hat – wir sind gespannt, wie sich das ins Messeformat übersetzt.

Leo Schick "Ohne Titel", 2023
Foto: © Leo Schick

Leo Schick "Ohne Titel", 2023

Auch Tim Bartels Kunst kommt alles andere als klassisch daher. Er spielt mit der Vieldeutigkeit von Sprache, arbeitet mit Slogans, die er auf Textilien oder Shirts druckt oder in Wandarbeiten verwendet. Manchmal schlägt er die Wörter auch mit einem Hammer in die Wand: YES, drei Buchstaben, eingraviert in drei Köpfe von Metallnägeln. Alles kann Schrift werden, und alles kann eine Bedeutung bekommen – wo sollte diese Erkenntnis besser passen als auf einer Kunstmesse.

Tim Bartel "Today is the 05/01/2019", 2024
Foto: © Tim Bartel

Tim Bartel "Today is the 05/01/2019", 2024

Dieser Artikel erschien zuerst in Monopol-Sonderheft zur art karlsruhe 2025