Künstlerinnen-Schau in Baden-Baden

Jetzt Ich!

Peggy Guggenheim in ihrer New Yorker Ausstellung "Exhibition by 31 Women", 1943
Foto: Picture Alliance

Peggy Guggenheim in ihrer New Yorker Ausstellung "Exhibition by 31 Women", 1942

Welche Aussage trifft man heute, wenn man eine Ausstellung nur mit Kunst von Frauen zeigt? Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden wagt einen Versuch - und lässt dann zum Glück vor allem die Werke sprechen

Kann man Hasenohren haben und trotzdem Respekt einfordern? Der überlebensgroßen Skulptur "Usagi Greeting" von Leiko Ikemura gelingt es. Die Wächterin am Eingang des Museum Frieder Burda bietet an, unter ihrem Gewand Schutz zu suchen. Dabei ist sie mindestens so würdevoll wie die üblichen Wächter Löwe, Adler oder irgendeine abstrakte geometrische Skulptur, die sonst an Eingangspforten ihren gebieterischen symbolischen Dienst verrichten. 

Im Foyer des lichten großzügigen Baus hängt ein weiteres Kunstwerk von Ikemura. Es zeigt zwei Figuren, eine stürzt. "Kaiserin tötet Kaiser" hat die Künstlerin das Gemälde 1983 genannt, und vielleicht war es genau wie die Häsin Patronin für diese Ausstellung mit dem Titel "Der König ist tot, lang lebe die Königin".

Der Museumsdirektor Udo Kittelmann hat erstmals eine Ausstellung mit ausschließlich weiblichen Positionen kuratiert. Es war, sagt er, für ihn "eine willkommene Gelegenheit, meine eigene kuratorische Biografie einmal, besonders auch selbstkritisch, Revue passieren zu lassen."

Superman ist ins Gemäuer gekracht

Vor genau 80 Jahren zeigte Peggy Guggenheim in ihrer Galerie Art of this Century in New York die Ausstellung "Exhibition by 31 Women". Damals kam das "Time Magazine" zu dem Schluss, es könne keine erstklassigen Künstlerinnen geben. Viele der nicht zufällig genau 31 gezeigten Künstlerinnen in Baden-Baden sind Weggefährtinnen von Udo Kittelmann. So hat er als Museumsmacher schon früh mit Sturtevant gearbeitet, mit Rosemarie Trockel, er gab Anne Imhof für "Angst" die Nächte im Hamburger Bahnhof in Berlin, und stellte dort auch Adrian Piper oder Rosa Barba aus. 

Das Plakat zeigt eine gehäkelte Skulptur von Patricia Waller, Superman ist ins Gemäuer gekracht und steckt bis zur Hüfte in der Wand, Blut rinnt, nur der Umhang ragt noch dynamisch in die Luft. Männliche Superhelden, das war’s – so einfach ist die Message aber dann doch nicht. 

Aber welche Aussage trifft man heute damit, in einer Ausstellung nur Kunst von Frauen zu zeigen? Ist das Ghettoisierung, gegen die sich beispielsweise die Malerin Georgia O’Keeffe schon in 1943 energisch ausgesprochen haben soll und deshalb nicht an Guggenheims "31 Women"-Ausstellung teilnahm? Oder ist es heute eben einfach eine von vielen möglichen Arten, Ausstellungen zu machen? Aber muss es dann noch betont werden? 

Mit den Werken kommt man weiter

Diese Schau kann auf künstlerischer Ebene viel mehr als nur polemisch dagegen zu halten, früher wären Ausstellungen mit rein männlicher Künstlerliste doch auch ganz normal gewesen. Es gehe hier nicht um Diskurse und Ideologien, heißt es im Begleitheft. Anhand der Werke kommt man ohnehin weiter. Die Kunstwerke sind in loser Abfolge platziert, über Generationen hinweg, alle Medien umfassend. In einem klassischen, gut funktionierenden Parcours bilden weniger die Motive als die Methoden einen schönen Zusammenhang: Umkehrung der Verhältnisse, Neubewertung von Qualitäten und Umwidmungen. 

Gerade die Wiederentdeckung älterer Künstlerinnen ist in diesem freien Spiel ein echtes Vergnügen. Heidi Manthey, 1929 in Leipzig geboren, macht wunderschöne Keramiken. Ihre Fabelwesen, Tiere und Gefäßen kommen aus einer erzählerischen Welt, in der auch Leiko Ikemuras Hasenherrscherin zuhause sein könnte. Auch die figurative Malerei von Almut Heise (geboren 1944) ist spannend. Ihr steifer Realismus kommt in ihrem Triptychon "Wohnzimmer III" (1968) dem Motiv besonders zugute.

Gezeigt ist auf drei Leinwänden ein properes Heim: Im Zentrum ein verbauter Fensterblick, durch zwei Vorhänge und ein Sicherheitsgitter noch weiter auf Distanz gehalten. Rechts ein Fernsehwagen mit Programmheft (Sylt, Bikinischönheit), auf dem leeren Bildschirm ein gerahmtes Foto (Ehemann, Sohn). Links auf hohen Absätzen die Herrscherin über dieses Reich, allerdings verborgen hinter Zimmerpflanzen, die es zu pflegen gilt. Das war der staatlich gewünschte Idealzustand. Zu arbeiten war Frauen bis 1977 nur mit Zustimmung ihres Mannes erlaubt.

Ein Schlachtruf, der Künstlerinnen nicht leicht fiel

Dabei wurde Superman schon 1941 die "Wonder Woman" an die Seite gestellt. "Schön wie Aphrodite, klug wie Athene, schnell wie Merkur und stark wie Herkules" lautete der olympische Cocktail ihrer Superkräfte. Gibt es den auch als Spritze? Wenn Marianna Simnett sich in ihrem Video "The Needle and the Larynx” (2016) eine Injektion in den Hals setzen lässt und die Kamera aus nächster Nähe draufhält, dann will man wie ein Kind durch die Finger schauen, mit denen man sich zugleich entsetzt die Augen zuhält. Ihr wird Botox verabreicht, eins der stärksten biologischen Gifte, das die Stimme tiefer und männlicher machen soll, wenn es in den Kehlkopf injiziert wird. 

Die Selbstversuche mit den Insignien männlicher Dominanz funktionieren auch in Blassrosa. Leda Bourgongne paraphrasiert den traurigen Harlekin von Picasso als weibliche Gestalt. "Eccomi" heißt das großformatige Gemälde, das die Melancholie des Picasso-Selbstporträts mit kontemplativer Konzentration ersetzt hat.

"Eccomi!" ist jener Ausruf, der mit dem traditionell der Sprung des Harlekins auf die Bühne einhergeht. Achtung, jetzt ich! Ohne "Entschuldigung, dürfte ich vielleicht auch…" Dieses "Eccomi" ist in seiner sportlichen, fast kindlichen Entschlossenheit überhaupt ein guter Schlachtruf, der nur wenigen Frauen in der Kunstgeschichte jemals leicht fiel. Einige, die ihn doch gewagt haben, sind hier vertreten.