Barbara Kasten in Wolfsburg

Die Frivolität der Architektur

Die US-Künstlerin Barbara Kasten zersplittert Räume in bunte Prismen und denkt als Fotografin wie eine Malerin. Warum nur ist ihr vielfältiges Werk in Europa so unbekannt?

Ihre aufwendigsten Fotografien sind auch die fesselndsten. Zwischen 1984 und 1987 hat Barbara Kasten Gebäude wie das World Financial Center oder das Whitney Museum of American Art in New York fotografiert. Dabei hat die Künstlerin – die nicht nur in dieser Serie wie eine Malerin operierte – mithilfe von farbigem Licht und Spiegeln die Architekturen zu bunten Collagen verfremdet, in denen Realität und Illusion miteinander verschmelzen. "Ich habe die grandiosen Räume mit farbigem Licht und Konvexspiegeln neu geordnet und abstrahiert und dadurch den frivolen Charakter von finanziellen Absprachen und Investitionen betont", erklärt die Künstlerin in einem Gespräch mit Andreas Beitin, der als neuer Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg eine große Retrospektive mit Kasten realisiert hat – zugleich die erste umfassende Ausstellung der US-amerikanischen Künstler in Europa überhaupt.

1936 in Chicago geboren, setzt sich Kasten während eines Studienaufenthalts in den 1960ern in Deutschland mit den Ideen des Bauhauses auseinander. Als sie gegen Ende des Jahrzehnts in die USA zurückkehrt, entwickelt sie Skulpturen aus Fiberglas und beginnt mit fotografischen Techniken zu experimentieren. In Wolfsburg sind sowohl ihre Fotogramme als auch ihre inszenierten Fotografien zu sehen, die der Malerei mitunter näher scheinen als dem Fotomedium selbst. Mit Deko-Gegenständen, Plexiglas-Flächen und Spiegel-Elementen baut Kasten in ihrem Studio stark abstrahierte Szenerien zusammen, benutzt farbige Lichtquellen wie eine Werbefotografin und lichtet die Situationen mit der Großformatkamera ab. Der Künstlichkeit ihrer Aufbauten wirkt Kasten entgegen, indem sie die Materialität der Objekte betont. Besonders augenfällig ist das in der Serie "Incidence", in der die Künstlerin den Fokus auf Bruchkanten und Schrammen von Glasflächen legt. In jüngster Zeit hat Kasten vorrangig mit farbigem Plexiglas gearbeitet.

Im Kunstmuseum zeigt sie nicht nur Fotografien, sondern auch eine Skulptur aus diesem – hier aus länglichen Quadern gefügten – Material. Auch auf einer Videoprojektion spielt Barbara Kasten mit farbigen Formen. Offenbar kann sie jedem künstlerischen Medium etwas abgewinnen. Warum nur ist ihr formal aufregendes und, etwa bei den Architekturfotografien, sogar zeitkritisches Werk in Europa so wenig bekannt?