Architekt Daniel Libeskind

Berliner Stadtplaner brauchen mehr Mut

Berlin (dpa) - Der Architekt Daniel Libeskind hat von Planern und Politikern mehr Mut bei der Neugestaltung von Berlins historischer Mitte gefordert. «Die Diskussion wird zu sehr von Nostalgie und Denkschablonen beherrscht», sagte Libeskind (65) der Nachrichtenagentur dpa. «Es gibt ein überkorrektes Denken, das wenig zu tun hat mit der Form, in der Menschen heute leben wollen.»

   Eine Stadt müsse sich immer wieder neu erfinden, sagte Libeskind, der zur Zeit unter anderem den Wiederaufbau von «Ground Zero» in New York sowie den Neubau der Leuphana Universität Lüneburg plant. Nur so blieben Städte im weltweiten Wettbewerb konkurrenzfähig.

   Der Architekt kennt die Hauptstadt. Er hat in Berlin den Zickzackbau des Jüdischen Museums entworfen und arbeitet zur Zeit an einem Erweiterungsbau. «Auch Berlin muss mit dem Wandel und seinen leeren Stellen leben lernen», sagte Libeskind. Das sollte nicht über eine «banale Erzählung» geschehen, vielmehr sollten die Brüche sichtbar werden. «Die Risse sind auch Teil dieser Welt.»

   Nach den bisherigen Vorschlägen soll mit der historisch getreuen Rekonstruktion des Berliner Schlosses auch das Marienviertel, der Gründungsort Berlins zwischen Spree und Fernsehturm, wieder aufgebaut werden. Für die Brache soll ein Ideenwettbewerb gestartet werden.

  «Im Grunde ist Architektur immer auch Rekonstruktion. Die Welt ist ja keine leere Fläche, jeder Ort hat ein Gedächtnis», sagte Libeskind. Mit der Globalisierung würden sich die Städte immer mehr angleichen. «Es gibt aber einen Wunsch nach Identität, die nur über ein Verständnis für die Bedeutung eines jeden Ortes vermittelt werden kann.» Vor allem in Demokratien müsse Architektur auf individuelle Bedürfnisse eingehen.

   Für den Universitätsbau in Lüneburg hat Libeskind mit den Studenten einen Entwurf für das neue Zentralgebäude der Hochschule entworfen. Dies sei für ihn eine neue Erfahrung, sagte Libeskind. Historisch seien Universitätsbauten an den Entwürfen von Gefängnissen und Krankenhäusern ausgerichtet. «Wir wollen die Idee der Agora, des öffentlichen Platzes, wieder beleben.» Das achtgeschossige Gebäude aus Stahlbeton wurde mit knapp 60 Millionen Euro veranschlagt und soll Ende 2014 fertig werden.