Bevor wir sie vergessen: Die Spuren, die der Bildhauer Olaf Metzel am Tatort Deutschland sicherte

Einkaufswagen, Absperrgitter, Eierkartons, Fahrradständer, Mülltonnen, Leitplanken, Parkhäuser, Straßenleuchten, Sitzbänke – fast jedes Ding im öffentlichen Raum der BRD hat es in angehäufter Form schon zu einer Olaf-Metzel-Installation gebracht. Und es gibt kaum ein bundesdeutsches Thema, das Metzel darin nicht verarbeitet hätte.
Nachkriegsbauten, Ausländerhass, Ordnungswahn, RAF: Metzel ist so etwas wie der Spurensicherer des deutschen Regelwerks und wohl genau deshalb so beliebt für Kunst-am-Bau-Projekte. Besonders am Deutschen Bundestag. Zu Bonner Zeiten türmte Metzel dort auf dem Parkplatz einen gigantischen Trichter aus Fahrradständern auf, vor dem Kanzleramt legte er eine überdimensionale Walther auf den Rasen – jenes Dienstwaffenmodell deutscher Polizisten, das vom Mord an Benno Ohnesorg bis hin zu Castor-Transporten Erinnerungen wecken soll.
Doch Metzel kann auch woanders: Berühmt ist sein Turm aus rot-weißen Absperrgittern mit dem Titel „13.4.1981“, den er 1987 mitten auf den Kurfürstendamm stellte, ausgerechnet vor die rot-weiße Markise des Café Kranzler. Der im Kreuzberg der 60er-Jahre aufgewachsene Künstler setzte damit den Wilmersdorfer Witwen ein Symbol für die Krawalle vor die Nase, die durch die Falschmeldung vom Tod des RAF-Häftlings Sigurd Debus ausgelöst wurden. Bald klebte ein Zettel daran: „Dieses ‚Kunstwerk‘ ist erst vollendet, wenn man den ‚Künstler‘ als Leiche oben draufsetzt“, und darunter, später hinzugefügt: „Faschist! Ich finde es gut.“
Metzels Arbeiten sind so plakativ provokant, dass sie immer wieder kommentiert, beschädigt, zerstört oder gestohlen werden. Für den Fall, dass sie eines Tages ganz verschwunden sein werden, hat nun Hatje Cantz eine reich bebilderte Monografie herausgegeben, mit aufschlussreichen Erläuterungen, unterhaltsamen Interviews und lesbaren Katalogbeiträgen von 1982 bis heute. Wer hätte gedacht, dass eine Kreuzberger Künstlerexistenz jemals so staatstragend werden könnte?

 

Olaf Metzel: „Öffentlichkeitsarbeiten“.
Hatje Cantz, 232 Seiten, 68 Euro