Carol Rhodes in Berlin

Zwischen Landschaftsmalerei und Science Fiction

Die schottische Künstlerin Carol Rhodes nutzte den Blick von oben, um unser Verhältnis zur Landschaft zu befragen. In ihrer Malerei trifft Schönheit auf Zerstörung. Nun sind ihre Werke im Berliner Haus am Waldsee zu sehen

Wie sieht die Welt von oben aus? Auf Luftbildern wirkt ihre Oberfläche oft weniger chaotisch als für diejenigen, die weiter unten durch überfüllten Straßen hetzen. Landwirtschaftliche Flächen können vom Flugzeug aus zu bunten Rechtecken werden – und die Erde zur abstrakten Struktur. Diese besondere Perspektive war ein Fokus in der Arbeit der schottischen Malerin Carol Rhodes, die 2018 mit nur 59 Jahren in Glasgow gestorben ist. Ihre Bilder, die sich eigenartig zwischen Realismus und Abstraktion bewegen, sind jetzt im Haus am Waldsee in Berlin-Zehlendorf zu sehen.

Rhodes nutzte den Blick aus der Distanz, um den Betrachtenden Missstände wie Umweltzerstörung und die Klimakrise näher zu bringen. Bereits bestehende Luftaufnahmen werden in ihren Werken zusammengeführt und dann mithilfe von Farbe, Licht und Komposition in Malerei transformiert. Ihre akribische Arbeitsweise war durch die anschließende Übertragung einer mit Stift und Papier entstandenen Zeichnung auf glattpolierte Sperrholzplatten geprägt. Sie nutzte die Nass-in-Nass Maltechnik und wischte oder schliff die aufgetragenen Farben immer wieder ab, anstatt diese zu schichten. 

Bei ihrem 1997 erschienen Bild "Inlet" ist nur schwer erkennbar, ob es sich um ein pastellgrünes Meer handelt, in welches ein futuristisch aussehender Hafen ragt oder um eine Art schwebende Plattform. Auch sind in der befremdlichen Umgebung Elemente wie Schotterwege zu erkennen. Aber zu welchen Gebäuden führen sie? Vor allem bleibt unklar, wer auf diesen Wegen wohin geht, denn Rhodes' Werke bleiben menschenleer, was beinahe eine post-apokalyptische Stimmung erzeugt.  

Befremdliche und zugleich vertraute Motive

Das Gemälde "Flood Plain (Breach)" (deutsch: Überschwemmungsgebiet) erinnert zunächst an eine Aufnahme von Feldern. Auffallend ist die weiße, fließende Farbe, die mehrere Flächen gleichsam flutet. Auch hier spielt Rhodes mit befremdlichen und zugleich vertrauten Motiven. Ein rotes, gemasertes Rechteck mag an ein Stück Fleisch erinnern, eine andere Musterung im Bild an einen Schmetterlingsflügel. 

Es ist ein schmaler Grat zwischen toter und lebendiger Materie. Es sind Landschaften, aber man meint, auch Körperliches zu sehen: Verletzungen, einen tiefen Schnitt in der Haut, welcher Sehnen und Muskelgewebe sichtbar macht. Oder ist es doch eher ein Abgrund, ein Stück aufgerissener Erdboden, um den sich Wurzeln ranken? Es scheint, als würden sich die Natur und der Mensch in Rhodes' Werken zu einem Körper zusammenfügen. Einem Körper, der geschunden ist. 

Die Ausstellung wirft Fragen auf, nicht nur dazu, was auf den Bildern zu erkennen oder gerade auch nicht zu erkennen ist, sondern auch über unseren Umgang mit der Natur und unsere Zukunft auf diesem Planeten. Ein schwarzer breiter Pinselstrich ist wohl doch kein Weg zum Ufer eines Gewässers, sondern Öl, welches die dunkelblaue Farbe des Flusses langsam vereinnahmt. Vielleicht kann ein Blick von oben Klarheit bringen, um das Innere zu öffnen, wie Rhodes selbst sagte: "Wenn man etwas wahrnimmt, es wirklich wahrnimmt, befindet man sich zugleich innerhalb und außerhalb davon."