Cherif Douamba, Ottawa Kwami, woher kommt der Name SIOH?
Cherif Douamba: Das ist eine Variante unserer Namen: C wie Cherif und O wie Ottawa. Auf die Idee, als künstlerisches Kollektiv zu arbeiten, sind wir vor drei oder vier Jahren gekommen. Wenn wir in unsere Heimatländer fahren – nach Ghana oder die Elfenbeinküste – machen wir immer viele Fotos. Es gibt so viele schöne Dinge dort, die man zeigen kann. Wir wollten, dass die Leute in der Modebranche, mit denen wir zu tun haben, erfahren, wo wir eigentlich herkommen. Wir wollten unsere Geschichte einbringen.
Ottawa Kwami: Wir werden als Models immer nur über unser Aussehen wahrgenommen, dabei gibt es so viel zu sagen. Afrika ist in der Fashion-Welt nicht wirklich repräsentiert – und in der Kunstwelt auch nicht so wie andere Gegenden. SIOH soll einen Raum dafür schaffen, dass diese Welten zusammenkommen.
CD: Es gibt ja immer eine Geschichte hinter dem, was man sieht – und die ist interessant. Allein schon, wie wir beide in die Modeindustrie gekommen sind. Das war ein langer Prozess. Wir mussten unseren Eltern verständlich machen, was Mode eigentlich ist. Wir mussten – als Menschen mit einem afrikanischen Pass – das Problem der Einwanderung überwinden. Wir kamen in ein fremdes Land, in dem das Leben sehr anders ist als das, was wir kannten.
Wann sind Sie nach Europa gekommen?
CD: Ottawa ist 2018 nach London gezogen, ich ein Jahr später. Wir sind zusammengezogen und haben angefangen, alles um uns herum genau zu analysieren: Warum Leute etwas kreieren, wie sie dabei vorgehen. Wir haben gesehen, wie sie das, was sie erfahren, in Geschichten verwandeln – und wir wurden als Models Teil dieser Geschichten. Aber dann dachten wir: Wir haben ja auch unsere eigenen Geschichten. Geschichten, die die Leute hören wollen und mit denen sie sich identifizieren können.
Sie haben zwei Kurzfilme gedreht. Was charakterisiert sie?
OK: Es geht bei beiden um Jungs und ihre Träume. "One Day" zeigt zwei Kids, die groß rauskommen und ihre Eltern stolz machen wollen, "Kubolor" porträtiert einen Jungen, der Musiker werden möchte.
CD: Die beiden Jungs in "One Day" wollen reisen, aber sie müssen sich mit der Realität arrangieren – mit den Eltern, die wollen, dass sie zur Schule gehen, dass sie auf ihre Geschwister aufpassen. Schule ist das Einzige, was ihnen aus der Armut hilft. Aber die Jungs sind kreativ, sie wollen die Welt sehen. Wie soll das gehen? "Kubolor", der Titel des zweiten Films, ist ein Ausdruck aus Ghana und bedeutet Straßenjunge. Dieser Straßenjunge ist ein Rapper, der berühmt werden will. Aber niemand nimmt ihn richtig ernst – auch wenn seine Community ihn liebt und unterstützt. Von Straßenjungen erwartet niemand etwas. Man denkt: Der wird in den nächsten fünf Jahren erschossen. Aber manchmal entstehen die besten Dinge aus einer Situation, in der man denkt, dass gar keine Hoffnung da ist. Ich hoffe, dass diese Geschichte irgendjemandem Kraft gibt.
Als Sie selbst jung waren – haben Sie damals von einem Leben als Model in Europa geträumt?
OK: Als Kind aus Westafrika träumt man immer davon, eines Tages um die Welt zu reisen. Ich dachte nur nicht, dass es durch Mode passieren würde. Es geht bei uns immer sehr darum, die Eltern stolz zu machen und ihren Standards zu genügen. Aber manchmal muss man sich auch davon befreien.
CD: Ich war immer ein Träumer. Ich wollte Pilot werden. Aber ich war so schlecht in Mathematik. Heute reise ich viel – aber hinten im Flugzeug, nicht vorne. Träume sind wichtig, auch wenn sie sich vielleicht auf andere Weise erfüllen als gedacht.
Wie funktioniert es, Ihre kreative Tätigkeit als Filmemacher, Fotografen und Art Directors mit Ihrem Image als Models zu vereinbaren?
CD: Man muss sich den Raum dafür selbst schaffen. Man muss bestimmt sein und sagen: Das ist es, was wir machen – bitte akzeptiert es.
OK: Wir müssen uns die Anerkennung verdienen. Die Modeindustrie hat uns die Werkzeuge gegeben, um die zu werden, die wir heute sind. Unser erster Job war übrigens für ein Modelabel, für Arket. Wir müssen die Leute in unsere Arbeit verliebt machen. Dann werden wir akzeptiert.