Das beste Gift gegen die Moderne: Isa Genzkens Kölner Installationen

Die Retrospektive, die nach London jetzt in erweiterter Form im Museum Ludwig angekommen ist, gibt es genau genommen zweimal. Zum einen als von der Künstlerin selbst in den Räumen arrangierte, verwegene Hyperskulptur: Arbeiten aus drei Jahrzehnten treten miteinander in ein kakofonisches Konzert und verschmelzen im Überblick zu neuen Installationszusammenhängen. Zum anderen in Form eines Katalogs, der – im Kontrast – in der stilistischen Vielfalt nach einer geradezu anrührenden Ordnung sucht. Gestaltet von der begabten Kölner Buchdesignerin Carmen Strzelecki im Stil einer „Vogue“-Ausgabe von 1960, weckt das Coffeetable-Book ein tiefes Bedauern darüber, dass es die Kunst der Isa Genzken nicht schon zu jener Zeit gegeben hat.
Welches Gegengift wären ihre ruinösen Betonpavillons zum damaligen Siegeszug der Architektur des International Style gewesen? Welchen Spiegel hätten ihre reflektierenden „Sozialen Fassaden“ dem verordneten Wohnungsbau vorgehalten? „Fuck the Bauhaus“ heißt eine herrliche Serie aus dem Jahr 2000 mit Tesa-verklebten Modellhäusern auf billigen Holzsockeln.


Statt Bauhaus also eine Räuberhöhle, diese Assoziation legt der Titel der Schau „Sesam, öffne dich!“ nahe. Auch bei Plünderern liegt ja das eine auf dem anderen, doch jeder Nippes, der hervorgekramt wird, ist ein Schatz. Angefangen bei den ersten Ausbrüchen aus dem formalen Dogmatismus der Konzeptkunst, wie es das frühe Ready-made „Weltempfänger“ von 1982 ankündigt, erlebt man die Chronologie eines andauernden Befreiungsschlags.
Ironischerweise zeigt die Karriere dieser Antimodernistin eine Konsequenz in der Verfeinerung, wie sie eigentlich für Künstler der klassischen Moderne typisch ist: Je freier Isa Genzkens Umgang mit dem Material, desto offener tritt das bildhauerische Genie zutage. Welche Sorgfalt mag sie ihren Sammlern und Kuratoren abverlangen, die die schwebende Zerbrechlichkeit ihrer Werke in die Ewigkeit retten wollen? Vielleicht lässt sich die gleiche Freiheit in den Stahlplatten von Richard Serra finden. Aber eigentlich erst, wenn sie mal umfallen.

 

 

Museum Ludwig, Köln, bis 15. November