Biografie "Frühstück mit Lucian Freud"

Das Leben eines maßlosen Mannes

Der große Kunstkritiker David Sylvester meinte einmal, Lucian Freud habe nicht die Augen eines Malers, sondern die eines Pathologen. Die harsch anmutende Bemerkung ist vielleicht das beste Kompliment, das Freud jemals gemacht wurde. Denn seine seltsam aus der Zeit gefallenen Bilder vermitteln oft das Gefühl, dass da jemand mit geradezu unmenschlicher Ehrlichkeit auf unsere versehrten Körper schaut. Und dass dieser Blick würdevoll ist.

Die erste, nun auf Deutsch vorliegende Biografie des vor drei Jahren gestorbenen Künstlers kann man sich als das genaue Gegenteil seiner Malerei vorstellen. Sie hat nichts Sezierendes, sie geht nicht in die Tiefe. Man liest sie trotzdem gerne. Ihr Autor, der britische Journalist Geordie Greig, traf sich für ein paar Jahre regelmäßig mit Freud zum Frühstück. Das so entstandene Porträt ist schön geschrieben und bebildert, und es changiert gekonnt zwischen Bewunderung und High-Society-Klatsch.

Schon als junger Mann, erfährt man etwa, war der in Berlin geborene und 1933 nach London geflohene Enkel von Sigmund Freud mit Picasso und Giacometti befreundet. Zeitlebens stand er mit dem englischen Hochadel auf bestem Fuß. Er trank viel, verlor mehrere Millionen Pfund bei Pferdewetten, hatte unzählige Affären, schlief mit vielen seiner Modelle und hielt es in keiner seiner beiden Ehen und späteren Beziehungen mit teils 50 Jahre jüngeren Frauen lange aus. Offiziell hatte er 14 Kinder von sechs verschiedenen Frauen. Greig nimmt allerdings an, dass er insgesamt 30 gezeugt hat. Noch als 80-Jähriger ging Freud mit Kate Moss tanzen und machte ihr sogar ein Tattoo. Gegen Ende seines Lebens erreichten sowohl die Auktionspreise seiner Werke als auch sein Ruf als Enfant terrible spektakuläre Dimensionen.

Greig hat hier natürlich nicht die Biografie eines Malers geliefert, sondern die einer Celebrity. Das ist legitim, und beim Lesen kann man der Entstehung des überlebensgroßen und sehr britischen Künstlermythos Lucian Freud geradezu beiwohnen. Doch letztlich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es gilt, das Werk des Malers vor diesem Mythos zu beschützen.

Geordie Greig, "Frühstück mit Lucian Freud". Nagel & Kimche, 272 Seiten, 21,90 Euro