Kunstsammlungen verwalten

Dem Chaos Herr werden

Als sich mehr als 100 Kunstwerke in seinem Lager ansammelten, verlor Gil Bronner den Überblick: Alles war so unkoordiniert, dass er nicht mehr wusste, an welcher Stelle sich welche Arbeit befand. Als Inventar besaß der Düsseldorfer Sammler lediglich eine Excel-Liste für die Versicherung. „Das hat natürlich nicht ausgereicht: Man hat keine Übersicht, kann die Werke nicht nach verschiedenen Kriterien sortieren“, erklärt Bronner. „Es fehlen Abbildungen. Außerdem hat man keine Möglichkeit, Daten über die Künstler zu sammeln, etwa wo sie ausgestellt haben oder welche Artikel über sie erschienen sind.“

Ähnlichen Problemen stehen Museen gegenüber: In historischen Inventaren gibt es keine Reproduktionen, Identifikationsnummern haben sich geändert, sogar Maße sind nicht mehr dieselben, weil Gemälde beschnitten wurden. So bleibt es in manchen Fällen unklar, welcher Eintrag sich auf welches Objekt bezieht. Verständlich, dass Museen also permanent damit beschäftigt sind, ihre Bestandskataloge zu aktualisieren.

Ein digitales Inventar für mehr als eine Million Objekte
Ein digitales Inventar macht vieles einfacher. 2008 haben die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden deswegen mit dem „Daphne“-Projekt begonnen, das den gesamten Bestand der zwölf Museen im Verbund – weit über eine Million Objekte – erfasst und inventarisiert. „Dafür werden die zum Teil noch handschriftlichen Bestandslisten und Inventare ausgewertet und mit den vorhandenen Kunstwerken abgeglichen“, erklärt Gilbert Lupfer, der das Projekt leitet. „Außerdem fotografieren wir jedes Objekt und überprüfen die Provenienz aller Zugänge ab 1933.“

Sämtliche Daten werden in ein Programm eingegeben, das die Dresdner Software-Firma „Robotron“ in Kooperation mit dem Museumsverbund entwickelt hat. „Die größte Herausforderung war dabei, eine Datenbank zu schaffen, die sowohl Gemälde als auch Besteck, Möbel oder Porzellane erfassen kann“, stellt Lupfer fest. „Da sind ja ganz unterschiedliche Datensätze relevant.“

Wenn das Projekt abgeschlossen ist (geplant ist 2018), soll „Daphne“ den Wissenschaftlern und Depotverwaltern einen systematischen Überblick über den Gesamtbestand der Dresdner Kunstsammlungen bieten. Aber auch der Öffentlichkeit wird die jahrelange Arbeit zu Gute kommen: „Mit unserer ‚Online Collection‘ haben wir bereits begonnen. Auch sie basiert auf der neuen Datenbank. Nach und nach werden wir unsere im Internet abrufbare Sammlung erweitern und Grunddaten aus ‚Daphne‘ zu allen Objekten öffentlich verfügbar machen.“

Die Alternative zur Museums-Software
Für Gil Bronner ist das aber keine Lösung: „Daphne“ ist eine unverkäufliche, speziell für Dresden entwickelte Datenbank. Ähnliche Modelle wie „MuseumPlus“ gibt es zwar zu kaufen, aber diese Programme passen nicht zu den Bedürfnissen privater Sammler oder Firmensammlungen, findet Friedrich Conzen: „Sie sind sehr komplex und teuer. Häufig fehlt solch wissenschaftlich angelegten Programmen auch die Benutzerfreundlichkeit: Drag-and-Drop gibt es da nicht.“ Deswegen hat Conzen, dessen Familie seit 1854 Bilderrahmen herstellt, eine Alternative entwickelt: „Art Ministration“.

Die Idee zu diesem Projekt entstand, weil Kunden immer wieder mit Provenienzfragen auf die Firma zukamen: „Wenn wir ein Gemälde einrahmen, markieren wir die Rückseite mit einem Aufkleber. Kinder unserer Kunden haben diese Kunstwerke geerbt und wegen des Etiketts vermutet, diese seien bei uns gekauft worden. Das Logo war der einzige Hinweis, den sie auf die Provenienz des Bildes hatten. Alle anderen Informationen lagen schon unter der Erde.“

„Um dem vorzubeugen, sollte man zu Lebzeiten inventarisieren“, empfiehlt Conzen. Seine Firma bietet an, diese aufwändige Arbeit zu übernehmen. „Um das tun zu können, brauchten wir aber erst einmal ein passendes Computerprogramm.“ Mit einem Geschäftspartner hat der Düsseldorfer fünf Jahre lang an „Art Ministration“ gearbeitet. Die Anwendung war vorerst nur für den Eigengebrauch konzipiert. „Dann kamen aber immer wieder Kunden, besonders Firmensammlungen, auf uns zu, die an der Software selbst Interesse hatten.“

Der Art-Ministrator
Im letzten Jahr hat Conzen begonnen, „Art Ministration“ losgelöst vom Inventarisierungsservice anzubieten. Gil Bronner war einer der ersten, die das Produkt testeten. Seine Assistentin ist damit beschäftigt, die etwa 800 Werke umfassende Sammlung zu inventarisieren. Inzwischen hat sie mehr als die Hälfte erfasst. Das macht sich bemerkbar: „Wir werden dem Chaos langsam Herr“, sagt Bronner. Er findet sich jetzt besser in seinem Lager zurecht. Nur bei einem Kunstwerk ist er sich nicht sicher, wo es gerade ist. „Aber das taucht auch noch auf.“