Rückblick auf die Art Basel/Miami Beach

Dem Geld ist es wurscht

Wolkenbrüche, One-Percenter und das S-Wort: Was man aus der Art Basel/Miami Beach lernen kann

Am Donnerstag Abend fegte ein Wolkenbruch über Miami Beach hinweg, in kürzester  Zeit waren Straßen überflutet, der Verkehr stockte, nichts ging mehr, und auf der Collins Avenue, wo die Raleighs, Delanos, Setais und Shelborne Wyndhams als Art-Déco-Schmuckschatullen für betuchtere Messebesucher aneinandergereiht sind, spielten sich dramatische Szenen ab: Die VIP-Crowd musste schuhlos durchs kniehohe Wasser waten. Glücklich, wer solche Probleme hat, möchte man meinen, aber erstens ist es so vorhersehbar wie langweilig, den One-Percentern, die den Kunstmarktboom nun schon eine Weile befeuern, ihren Reichtum vorzuhalten, und zweitens hatten sie trotzdem sichtlich ihren Spaß. Wenn es gießt, bleibt man halt im Partyzelt, kein Problem.

Natürlich, in Miami Beach sind ISIS, das amerikanische Waffengesetz oder der Klimagipfel in Paris eher kein Thema, auch wenn die überfluteten Straßen ein Vorspiel dessen geboten haben mochten, was auf Miami Beach zukommt, wenn der Meeresspiegel steigt, aber das als weltfernen Hedonismus zu brandmarken ist im Grunde genauso absurd, wie wenn man einer Pornomesse vorhielte, sie sei nicht vegan. Dass das Geld ungleich verteilt ist, ist Fakt; dass es die Reichen sind, die den Kunstmarkt am Leben halten, auch, und ja, am Ende profitieren nur wenige Galerien und Künstler, man mag das ungerecht finden, aber, wie Jason Farago ganz richtig im "Guardian" über die Art Basel/Miami Beach schrieb: "Radikale Gleichheit in dieser Gesellschaft? So funktioniert Kunstgeschichte nicht." Oder, wie ein Galerist auf der Messe treffend bemerkte: "Money doesn’t care who owns it."

Übrigens: Dass eine Borderlinepersönlichkeit auf der Messe auf eine Frau einstach, sollte man, so schlimm es für das Opfer ist, nicht symbolisch hochrechnen; ein Ticket kostet 50 Dollar, jeder hat Zutritt, bedauerlich, aber kaum zu ändern. Und dass am Samstag unweit der Messe ein Mann mit freiem Oberkörper von der Polizei  erschossen wurde, sagt vielleicht mehr über die amerikanische Polizei aus als über den Zustand des Kunstmarktes.

Aber was lässt sich aus Miami über den Zustand ebendieses Kunstmarktes destillieren? Läuft bei ihm. Oder, ausführlicher, vielleicht das, was Kunstmarktexperte und Monopol-Autor Kenny Schachter und Insider Josh Baer bei ihrem Salongespräch auf der Messe resümierten: Kritiker werden eher nicht mehr gebraucht ("Galleries are the new critics", befand Baer, "no, collectors are the new critics", meinte dagegen Schachter).

Wer profitiert am meisten vom Kunstmarktboom? Die "storage rooms", also die Zollfreilager, wo gekaufte Werke auf Wertsteigerung warten. Warum? Weil sich eine "goldman-sachsy mentality" breitmache, so Schachter. Weshalb die Künstler entweder "proactively involved" sein müssten - oder sie seien eben "screwed", was mit "überrumpelt" eher wohlmeinend übersetzt ist. Das sollten sie sich vielleicht eine Warnung sein lassen.