Ausstellung in London

Die Geburt einer Mutter

Wenn Frauen ein Kind bekommen, ist es nicht selbstverständlich, dass sie sofort fürsorgliche Gefühle entwickeln. Eine Londoner Galerie zeigt Künstlerinnen, die sich mit dem manchmal schwierigen Prozess der Mutterwerdung auseinandersetzen

Wie es angefangen hat, liegt im Dunkeln. Es muss eine traumatische Erfahrung gewesen sein. Mutter und Kind erholen sich bald, doch die Zukunft bleibt ungewiss. Werden sie es miteinander aushalten? Wer unterdrückt später wen? Mutter und Sohn, Mutter und Tochter – am Ende doch ein gutes Team?

Die Annahme der Mutterolle ist für Frauen nach der Geburt eines Kindes nicht immer einfach. In ihrem gerade auf Deutsch erschienenem Buch "Lebenswerk" nennt die britische Schriftstellerin Rachel Cusk Mutterschaft ein "Drama, in dem die Entbindung nur der Auftakt ist": "Mein Hunger auf die Welt war unstillbar und wahllos, er war Ausdruck einer Sehnsucht nach dem verlorenen, vormütterlichen Ich, nach der Freiheit, die dieses Ich genossen und vielleicht sogar vergeudet hatte. Die Mutterschaft erschien mir wie ein umzäunter, vom Rest der Welt abgetrennter Bereich."

Nach der Geburt erscheint vielen Frauen ihr Kind zunächst fremd oder sie entwickeln gar negative Emotionen. Gesprochen darüber wird oft nicht, da Schuldgefühle und Enttäuschung häufig damit verbunden ist. Zu Unrecht: Der US-amerikanische Psychiater Daniel Stern erklärte in seinen wegweisenden Büchern zum Thema, dass die Geburt einer Identität der Anstrengung der Geburt eines Kindes gleichkommt.

Diesem schwierigen Prozess, der sich im Englischen "matrescence" nennt, widmet die Londoner Galerie Richard Saltoun eine Gruppenausstellung, die ein "radikales Neudenken des Archetypus der stillen, duldenden und idealisierten Mutter, der in der christlichen Ikonografie durch die Mutter Gottes und dem Jesus-Kind repräsentiert wird", schreibt Kuratorin Catherine McCormack.

Die Ausstellung "Matrescence" zeigt Arbeiten von elf Künstlerinnen. Gut möglich, dass sie durch ihren Beruf noch einmal einen schärferen Blick aufs Thema haben, denn von Künstlerinnen und Künstlern wird erwartet, dass sie ihr Leben der Kunst widmen und zwar komplett (siehe unseren Schwerpunkt dazu in der Monopol-Ausgabe 2/2019). Mit der Mutterrolle scheint echte künstlerische Passion nicht vereinbar. Sogar manche Frauen erhalten diesen Mythos aufrecht, wie Marina Abramovic, die findet, dass Künstlerinnen keine guten Mütter sein können.

Zur Eröffnung der Ausstellung wird die Künstlerin Liv Pennington freiwilligen Besucherinnen Schwangerschaftstests unterziehen, deren Ergebnisse anonym vermeldet werden. Wir zeigen vorab eine Auswahl der Arbeiten in der Bildstrecke oben.