Illustrative 09, Berlin

Die Grafikszene birgt ihre Schätze

Für diejenigen, denen Lisa-Lounge als Veranstaltungsort kein Begriff ist, könnte es schwierig werden, den Eingang zur Illustrative 09 zu finden, dem Ausstellungsforum und Festival, das Positionen aktueller Gebrauchsgrafik und Illustration zeigt. Vor der Tür der etwas heruntergekommenen Villa Elisabeth stehen zwei Holzstühle, ein Infoständer und überquellende Mülltonnen. Dass die Räumlichkeiten in Berlin-Mitte vom Gründer und Kurator Pascal Johanssen ohne Bedacht gewählt worden sind, ist unwahrscheinlich. Insbesondere, da das Festival im vierten Jahr in Folge stattfindet und nach Stationen in Zürich und Paris nach Berlin zurückgekehrt ist.
 
Man hat sich eingerichtet zwischen den Stühlen. In den letzten Jahren wurde intern hart an Image und Profil gearbeitet – Illustration stieg in der Selbstwahrnehmung zur „vergessenen Kunst“ auf, streifte auch diese Haut ab und brachte „contemporary illustrative art“ hervor. Sie verhalte sich ambivalent zu Design und Kunst. Und könne eben beides sein, je nach Auslegung und Bedarf.
 
In diesen Tagen feiert die Szene sich selbst, ihre Berühmtheiten und vor allem ihre Hoffnungs- und Fackelträger, mit Werken, die auf drei Etagen verteilt sind, an Wänden, Säulen, von der Decke baumelnd oder in den Raum gespannt. David Polonsky, der Ari Folmans Animations-Dokumentation „Walz With Bashir“ illustrierte, ist wohl der Prominenteste auf der Liste. Auch national gefeierte Zeichner wie die aus Bonn stammende Line Hoven zeigen einige ihrer Arbeiten.
 
Zwar lassen sich unter den Werken der Illustrative 09, sowohl in der Hauptausstellung als auch in der Schau der Nominierten „Young Illustrators Award 2009“, klassisch umgesetzte Abbildungen finden – die Visualisierung einer Idee mit Stift und Papier. Auffällig sind aber die vielen andersformatigen, plastischen Arbeiten. Wie etwa der Wandteppich, den der aus dem „Tagesspiegel“ bekannte Illustrator Olaf Hajek in Tibet knüpfen ließ, oder die bunten, aus Skateboardresten gefertigten Figuren des Tokioter Duos Haroshi. Oder es wird noch etwas auf Papier gebracht, nur nicht mehr vom Zeichner selbst: Im Erdgeschoss steht eine Maschine, ein Werk von Julius von Bismarck, die autark Bilder aus der Datenbank des US-Patentamtes abruft und illustriert.
 
Anders als allgemein die klassische Illustration aufgefasst wird – als ein Bild, das einen Text erläutert – saugt „contemporary illustrative art“ aus allen Himmelsrichtungen Partikel auf. Motive aus Comic, Graffiti, Mode, Werbung oder Computerspielen werden eingewoben in unterschiedlich gestaltete Produkte. Die Werke der mehr als 60 nationalen und internationalen Künstler der Illustrative 09 geben eine bunte Mischung her - von Zeichnungen über Wandcollagen bis zu 3D-Installationen und Animationsfilmen.
 
Im Gegensatz zu den USA findet Illustration in Deutschland eher wenig Anerkennung. Trotzdem verkaufe er mittlerweile ganze Ausstellungen, sagt der Initiator Johanssen. Die Grafikszene scheint selbstbewusster geworden, versteht sich als Eroberer der Zwischenräume, als Kunst, die sich aus allen Welten bedient und damit das Zeitgefühl trifft. Und nicht nur den Zeitgeschmack, wenn überhaupt, wie Kritiker befinden. Die Illustrative 09 ist ein Sammelsurium aus allerlei. Manchmal wirkt das dann auch leider nur beliebig.
 
Bis 1. November. Informationen unter: www.illustrative.de