Fünf Fragen an Kenny Schachter

"Die Kunstwelt ist wie die Mafia"

Herr Schachter, Sie arbeiten in London als Kunsthändler. Aus welchem Impuls heraus schreiben Sie?
Ich habe immer geschrieben und unterrichtet, professionell als Anwalt, und seit Jahrzehnten berichte ich auch über die Kunstwelt. Ich mache sogar manchmal Kunst. Als Händler habe ich enormen Einblick in die Kunstwelt und das ganze System, das sich drum herum entfaltet. Ein Universum, das selbst wieder einzigartig ist.

Die britische Journalistin Sarah Thornton verkündete kürzlich, dass sie nicht mehr über den Kunstmarkt berichten wolle, da dieser intransparent und korrupt sei. Was halten Sie von dieser Analyse?
Sie betrieb mit dieser Aussage auch Effekthascherei und ist einfach frustriert, dass der Markt für sie nicht so einen großen Gewinn bringt wie für Mugrabi und Hirst. Klingt eher wie ein Fall von „Die Trauben hängen zu hoch“. Aber Autoren sollten und werden immer schreiben, und sie können das auch leicht im Netz tun, mit oder ohne Frau Thornton und ihresgleichen. Es gibt genug Nahrung, die man durch Kunst aufnehmen kann, und es ist eine große Sache, jede Minute größer zu werden, was Reichweite und Ambitionen angeht.

Sie schreiben häufig satirisch und polemisch, man denke nur an Ihr viel beachtetes Stück „Why I Am Leaving Gagosian“, in dem Sie einen Text des frustrierten Bankers Greg Smith auf einen Mitarbeiter des Galeristen Larry Gagosian ummünzten. Finden Sie die Kunstmarktjournalisten zu brav?
Das Problem mit den Marktjournalisten ist, dass sie zu schnell den vorherrschenden Fakten trauen, etwa den angeblich erzielten Preisen, was ein wenig langweilig und blass ist. Da fehlen häufig die lebhafteren Charakterisierungen. Aber das Netz ist voll mit beißender Kritik, um das zu würzen.

Steht Ihr Schreiben Ihrem Geschäft als Kunsthändler manchmal im Weg?
Ich habe neulich versucht, etwas an einen Händler zu verkaufen, mit dem ich bislang sehr viele Geschäfte gemacht hatte, mit dem ich mir aber auch zu gleichen Anteilen eine Schlammschlacht geliefert hatte. Sagen wir mal so: Irgendwann stand das Telefon dann still. Nicht so klug von mir, aber ich kann nicht anders. Andererseits hat auch mal jemand stillschweigend einen Deal platzen lassen, ich habe drüber geschrieben, ohne Namen zu nennen, und danach hat sich dieser Jemand wieder bei mir gemeldet. Man kann sich also nie vorher über die Wirkung sicher sein.

Sie schreiben viel über die Kunstwelt und wenig über die Kunst. Warum nur?

Ich habe Texte über Kunst und Design geschrieben für Bücher über Paul Thek, Vito Acconci und Zaha Hadid, vielen Dank auch. Ich könnte genauso gut über Briefmarken schreiben, warum fragen Sie das? Wirklich niemand erläutert in solcher Tiefe erlebte Wirklichkeit und die ökonomischen Umstände, die dem Spiel zugrunde liegen. Die Kunstwelt ist wie die Mafia, es gibt ein ungeschriebenes Gesetz des Stillschweigens, es sei denn, etwas wird vor Gericht ausgehandelt. Ich fühle mich verpflichtet, das zu tun, was ich tue, in welcher Form auch immer ich das angehe. Sorry an alle! 

Kenny Schachters englischsprachigen Blog "Fact & Fiction" lesen Sie ab jetzt unter www.monopol-magazin.de/blogs/kenny-schachter-fact-fiction/