Baselitz und der Chiaroscuro-Holzschnitt in London

Die vergessene Kunstform

London (dpa) - «Ich bin als Sammler hier, und nicht als Künstler», strahlt Georg Baselitz im Foyer der Royal Academy in London. Dort steht ab diesem Samstag die beträchtliche Sammlung des deutschen Künstlers im Mittelpunkt einer Ausstellung über die Chiaroscuro (hell-dunkel) Holzschnitt-Technik der deutschen und italienischen Renaissance. «Ich habe damals einen Schatz ausgehoben. Es erstaunt mich, dass eine Kunst, die mehr als 400 Jahre alt, die Menschen immer noch fasziniert,» sagte Baselitz (76) der Nachrichtenagentur dpa.

Als Ehrenmitglied der Royal Academy, die ihm 2007 eine große Retrospektive widmete, sei er stolz, nun rund 80 Prozent der Werke in der Ausstellung liefern zu können, sagte Baselitz. Die übrigen der rund 150 Exponate kommen aus der Sammlung der Albertina in Wien. Die Ausstellung wird bis zum 8. Juni im Sackler-Flügel der Galerie gezeigt.

Die Technik der Farbholzschnitte, dessen Ziel es sei, die Malerei zu imitieren, habe ihn seit seinem Aufenthalt als Stipendiat in Florenz 1965 gefesselt, sagte Baselitz. Er habe sie bei der «Suche nach der Vergangenheit» entdeckt. «Der Künstler ist oft wie ein Archäologe in der Lage zu entdecken, was im Verborgenen liegt.» Die «vergessene Kunstform» der ältesten Druckgrafiken der Welt habe ihn fasziniert. «Die Mythen interessierten mich nicht. Mich interessierte das Bild.» In der Ausstellung in London würden die Werke so «optimal präsentiert, als wären sie erst gestern entstanden», fügte der Künstler hinzu.

Heute gilt seine Sammlung als eine der größten auf dem Gebiet der Hell-Dunkel-Grafik, die unter der italienischen Bezeichnung «Chiaroscuro» bekannt ist. Die Ausstellung erklärt das subtile Spiel von Licht und Schatten, das durch die Anwendung mehrerer Farbblöcke entsteht. Durch die über einander gedruckten Platten verwandelt sich ein rein lineares Motiv zu einem Spiel zwischen Licht und Schatten. Es verleiht den Objekten größere Tiefe, Spontaneität, Farbe und Bewegung, wie demonstriert wird.

Die Kunst der Druckgrafik geht in ihrem Ursprung auf das Jahr 1508 zurück, als deutsche Künstler wie Hans Burgkmair und Lucas Cranach d. Ältere sich ihrer annahmen. Sie wurde rund zehn Jahre später in Italien von Künstlern wie Ugo da Carpi weiter entwickelt, die Zeichnungen so großer Meister wie Raffael, Tizian und Parmigianino zur Vorlage für ihre Arbeit nahmen.

Auch in den Niederlanden und anderen nordeuropäischen Ländern gab es führende Vertreter der Hell-Dunkel-Grafik. «Es war wie das Internet heute. Die innovative Technik wurde schnell über alle Grenzen hinaus bekannt,» sagte Achim Gnann, Kurator der Albertina. «Das Ergebnis war ein offener, malerischer Effekt.»

Royal Academy, London, bis 8. Juni