Drei Fragen an Bjarke Ingels

Herr Ingels, wird das Auto in Ihren Vorstellungen der Zukunft noch im Stadtbild zu sehen sein?
Natürlich! Was mich an diesem Projekt interessiert hat, war die Frage, wie man kreativere Wege finden kann, um die verschiedenen städtischen Bewegungen miteinander zu mischen. Menschen sind langsamer als Räder, Autos schneller als Menschen, und das verursacht derzeit immer noch ein viel zu hohes Unfallpotenzial. Die Autos der Zukunft, von denen wir träumen, sind tatsächlich geräuschlos, schadstofffrei und bewegen sich im städtischen Bereich ohne Fahrer. Sie werden das Denken im Verkehr perfekt für uns übernehmen, alles übereinander wissen und miteinander kommunizieren.

Das klingt nach viel Elektrosmog und wenig Freude am Fahren! Haben Sie ein Auto?

Nein, ich gehöre zu jener „jungen“ Generation, die in der Großstadt eine sehr mächtige Kombination der Fortbewegung kultiviert: Fahrrad und Taxi. Dennoch liebe ich es, hinter einem Steuer zu sitzen, und halte es für ein Problem, dass Pkws immer noch als der Teufel auf Rädern gesehen werden. Ich nenne es überspitzt eine Art Apartheid. Autos werden aus dem Sichtfeld verbannt, versteckt in Parkhäusern. Doch was passiert mit all diesen neu gewonnenen freien Flächen und Plätzen, wenn diese beispielsweise nicht genutzt werden? Sie werden leblos, unsicher und kreieren dadurch noch eine viel enormere Platzverschwendung. Es war ja die große Idee der Moderne, alle Aspekte des menschlichen Lebens zu analysieren und dafür maßgeschneiderte Bereiche zu schaffen. Einen für Häuser: Vororte; für Autos: Autobahnen und so weiter. Ist einer dieser Aspekte allerdings inaktiv, stirbt er. Wir dagegen stellen uns ein Modell vor, das die Stadt vielfach nutzt, indem sich Aktivitäten mischen, verschieben, koexistieren.

Konkret auf der Straße wird es in der Zukunft also aussehen wie auf den alten Fotos der Städte um die Jahrhundertwende, wo sich Menschen und Kutschen chaotisch auf einer Ebene bewegten?
Nur mit dem Unterschied, dass es in der Zukunft dank perfekter Kommunikationssysteme vollkommen verkehrssicher und fließend sein wird! Wir haben während unserer Recherchen natürlich auch über fliegende Autos nachgedacht oder an Spielberg-Gefährte wie in „Minority Report“, die über Wände flitzen. Menschen, die in einer Zeitkapsel von 1900 in unser Jahrzehnt flögen, wären wahrscheinlich kaum geschockt, weil die Veränderung gar nicht so groß ist. Anstatt einer Stadt und ihren Bewohnern irgendwelche fixen Visionen aufzudrücken, müssen wir beobachten, wie sie funktionieren, und danach handeln. Und da ist weniger tatsächlich mehr. Wo wir gerade bei Visionen sind: Mir ist erst während der Recherchen zum Projekt klar geworden, dass Le Corbusiers nie realisierter „Plan Voisin“ von 1925, die Pariser Innenstadt mit Bulldozern plattzumachen und 60-stöckige Hochhäuser hochzuziehen, damals von einem mächtigen Autohersteller in Auftrag gegeben wurde. Und jetzt sitzen wir hier, 85 Jahre später, und wieder ist es ein Autohersteller, der uns Architekten fragt, wie die Zukunft der Stadt aussehen könnte.

Audi Urban Future Award im Rahmen der Architektur- Biennale Venedig, 29. August bis 21. November