Whitney-Biennale in New York

Drei Kuratoren, kein Plan

Einen Überblick über zeitgenössische amerikanische Kunst will die Whitney-Biennale verschaffen – und dabei auf neueste Entwicklungen hinweisen. Besonders ernst wurde die Devise in diesem Jahr aber nicht genommen. 23 der 103 beteiligten Künstler sind über 60, sechs bereits verstorben. Natürlich kann man auch in der älteren Generation Entdeckungen machen: etwa die akribische Systemerfinderin Channa Horwitz oder die Poetin Etel Adnan. Doch viele, wie Jimmie Durham oder Allan Sekula, sind absolut etabliert.

Experimentierfreudig wirkt die Schau also nicht – und ein einheitliches Statement ist vom Komitee des New Yorker Museums auch nicht gewollt: Es hat für jedes der drei Stockwerke einen eigenen Kurator eingeladen. Im obersten verlässt sich Michelle Grabner, selbst Künstlerin, ganz auf die Präsenz des Materials: Große Keramiken von Sterling Ruby und Alma Allen, Installationen wie eine Schilderwand von Ken Lum oder ein schwarzes Kunststoffrelief mit Neonwörtern von Gretchen Bender, dominieren hier. Dazu kommt abstrakte Malerei von Louise Fishman, Amy Sillman oder Pam Lins. Einen Stock tiefer setzt MoMA-Kurator Stuart Comer vor allem auf gesellschaftliche Inhalte. Bjarne Melgaard konfrontiert das Publikum mit Filmen kopulierender Affen und als Sexarbeiterinnen drapierten Puppen. In einer Fotoinstallation zeigen sich Zackary Drucker und Rhys Ernst als Transgender-Liebes- und Kollegenpaar, während Lisa Anne Auerbach politische Slogans auf Kleidung strickt.

Anthony Elms, der die unterste Etage verantwortet, ist dafür bekannt, dass er Kunst und Nichtkunst gleichberechtigt kombiniert. Bilderzyklen, zum Beispiel von Rebecca Morris oder Charline von Heyl, hat er eine Vielzahl an Dokumenten zur Seite gestellt. Und so kann man hier neben den Filmen des Alltagschronisten Michel Auder auch die Amateurmusiksammlung des Kollektivs Public Collectors oder das von Joseph Grigely als Objet trouvé ausgestellte Archiv des Kunsthistorikers Gregory Battock kennenlernen. Einige Arbeiten beziehen sich direkt auf die Biennale-Idee und das Museum selbst. So hat Zoe Leonard einen Raum des Marcel-Breuer-Baus in eine Camera obscura verwandelt: Durch eine kleine Öffnung in der Fassade dringen die Gebäude der gegenüberliegenden Straßenseite als Lichtbild ins Innere. Einen Clou birgt auch eine Assemblage aus Siebdruck, Malerei und Holz von Laura Owens. Hinter dem Keilrahmen befinden sich drei weitere, versteckte Bilder. Und weithin unbemerkt neben dem Fahrstuhl im Café stehen zwei Spendenboxen von Darren Bader. Darf man deren Aufschriften, "Donation for Something" und "Donation for Nothing", als subtile Kommentare zur Ausstellung verstehen?

Am Ende hat man drei Biennalen statt einer gesehen, was die Kontemplation empfindlich stört. Vollgestopft, wie sie ist, erinnert die Schau unangenehm an eine Messe. Im Unterschied dazu scheint es hier aber eine leise – und in der Sache inkonsequente – Absprache gegeben zu haben: Kein Künstler taucht doppelt auf. Schade, ein roter Faden hätte gutgetan. Warum nicht ein skandalöser Mel­gaard auf jeder Etage? Doch Gott schütze Amerika.

Whitney-Biennale, Whitney Museum of American Art, New York, bis 25. Mai