Wäre diese Einladung mit dem Betreff „Cold Turkey – An Invitation“ tatsächlich zum 1. April in den Email-Accounts der Monopol-Redaktion gelandet, sie wäre sicherlich für einen Aprilscherz gehalten worden. „Vom 1. bis zum 30. April 2010 bietet das Hotel Marienbad einen Platz für einen Drogenentzug an. Künstler, Kritiker und all diejenigen, die professionell mit der Kunst verbunden sind, sind eingeladen, sich hierfür zu bewerben. Die Suite des Hotel Marienbad bietet einen vertraulichen Rückzugsort unter Ausschluss der Öffentlichkeit“, war dort zu lesen. Allerdings flatterte sie bereits vor einigen Wochen in die Postfächer und löste wilde Spekulationen aus.
Nachdem der britische Sammler Charles Saatchi mit „School of Saatchi“ ein auf Nachwuchskünstler zielendes Pendant zu „Britain’s got Talent“ geschaffen hat, wäre „Cold Turkey“ nur logische Konsequenz auf C-Promi-Entzugsformate wie „Celebrity Rehab“. Statt Pornosternchen und Schauspielern dürfen nun also Künstler medienwirksam entziehen – in einem Kunstraum statt im TV.
Denn das Hotel Marienbad, in welchem der Entzug in Kooperation mit der Gemeinschaftsklinik Havelhöhe stattfindet, ist kein Hotel im klassischen Sinne. Es gehört zu den Kunst-Werken Berlin (KW); Künstler können dort umsonst übernachten, wenn sie im Austausch dafür ein Werk hinterlassen oder gleich den ganzen Raum gestalten.
„Als wir gebeten wurden, für das Hotel eine Arbeit zu konzipieren, haben wir erst mal unsere Gedanken schweifen lassen. Was passiert in Hotels?“, erzählt Claudia Kapp, die gemeinsam mit Benjamin Blanke für das Projekt verantwortlich ist. Die beiden Künstler haben bereits zuvor gemeinsame Arbeiten realisiert, nutzen dabei verschiedenen Medien. „Hotels sind Grauzonen, Zwischenorte zwischen Anonymität und Öffentlichkeit. Außerdem sind es Orte des Konsums.“ Konsumiert werden nicht nur Pay-TV-Kanäle mit explizitem Inhalt und gekaufte körperliche Nähe, sondern eben auch Drogen – gerade von Menschen aus dem Kreativbereich.
Der Mythos des vom Geiste berauschten Genies führt zu einer anderen Akzeptanz von Drogen innerhalb der Kunstbranche. „Man braucht nur in der Kunstgeschichte zu schauen, wer alles unter Drogen- oder Alkoholeinfluss gearbeitet hat“, sagt Benjamin Blanke. Die Kunstwelt stehe dabei exemplarisch für den Kapitalismus, wo „ein wahnsinniger Druck kreativer, schneller, besser zu sein“ dazu führe, dass viele zu Aufputschmitteln griffen um „die Kreativität und das Unbewusste hervorzuholen.“ Anekdoten vom Abgrund rühmen Künstlerpersönlichkeiten, wie zum Beispiel Keith Haring, der – Amphetamine sei Dank – „irgendwann in seinen letzten Jahren überhaupt nicht mehr geschlafen hat, weil ihm einfach die Zeit zu schaden war, weil er nur noch produzieren wollte“, so Blanke.
Ungefähr 150 Menschen haben sich für den Entzug beworben. Wer sich jetzt voller Vorfreude auf die Befriedigung seiner voyeuristischen Bedürfnisse auf den Weg zu den KW begibt, hoffend, einen schweißgebadeten Suchtfall anzutreffen, wird jedoch enttäuscht werden. Die Tür des Hotelzimmers bleibt verschlossen. „Es wird überhaupt nicht kommuniziert, ob da jemand ist. Es geht nicht um den Blick auf den, der den Entzug macht. Es geht um das Thema von Sichtbarkeit und Nichtsichtbarkeit. Mit der Anzeige sollte ein gedanklicher Raum geöffnet werden“, so Kapp. Was sich in diesem abspielt, bleibt jedem selbst überlassen. „Wir schaffen eine Leerstelle.“
Diese Leerstelle ist ziemlich groß; offen bleibt, ob die Öffentlichkeit nach der Anzeige und der Einladung, die über Plattformen wie E-flux und Freeze kommuniziert wurden, überhaupt noch miteinbezogen wird. „Cold Turkey“ spielt mit dem Voyeurismus und Exhibitionismus der Gesellschaft – und das sehr medienwirksam für ein Projekt, das sich gleichzeitig von aufmerksamkeitsheischenden Boulevardjournalismus distanzieren wissen will.
Hotel Marienbad, KW Institute for Contemporary Art, bis 30. April
Mehr Informationen unter www.kw-berlin.de, www.hotelmarienbad.com
Nachdem der britische Sammler Charles Saatchi mit „School of Saatchi“ ein auf Nachwuchskünstler zielendes Pendant zu „Britain’s got Talent“ geschaffen hat, wäre „Cold Turkey“ nur logische Konsequenz auf C-Promi-Entzugsformate wie „Celebrity Rehab“. Statt Pornosternchen und Schauspielern dürfen nun also Künstler medienwirksam entziehen – in einem Kunstraum statt im TV.
Denn das Hotel Marienbad, in welchem der Entzug in Kooperation mit der Gemeinschaftsklinik Havelhöhe stattfindet, ist kein Hotel im klassischen Sinne. Es gehört zu den Kunst-Werken Berlin (KW); Künstler können dort umsonst übernachten, wenn sie im Austausch dafür ein Werk hinterlassen oder gleich den ganzen Raum gestalten.
„Als wir gebeten wurden, für das Hotel eine Arbeit zu konzipieren, haben wir erst mal unsere Gedanken schweifen lassen. Was passiert in Hotels?“, erzählt Claudia Kapp, die gemeinsam mit Benjamin Blanke für das Projekt verantwortlich ist. Die beiden Künstler haben bereits zuvor gemeinsame Arbeiten realisiert, nutzen dabei verschiedenen Medien. „Hotels sind Grauzonen, Zwischenorte zwischen Anonymität und Öffentlichkeit. Außerdem sind es Orte des Konsums.“ Konsumiert werden nicht nur Pay-TV-Kanäle mit explizitem Inhalt und gekaufte körperliche Nähe, sondern eben auch Drogen – gerade von Menschen aus dem Kreativbereich.
Der Mythos des vom Geiste berauschten Genies führt zu einer anderen Akzeptanz von Drogen innerhalb der Kunstbranche. „Man braucht nur in der Kunstgeschichte zu schauen, wer alles unter Drogen- oder Alkoholeinfluss gearbeitet hat“, sagt Benjamin Blanke. Die Kunstwelt stehe dabei exemplarisch für den Kapitalismus, wo „ein wahnsinniger Druck kreativer, schneller, besser zu sein“ dazu führe, dass viele zu Aufputschmitteln griffen um „die Kreativität und das Unbewusste hervorzuholen.“ Anekdoten vom Abgrund rühmen Künstlerpersönlichkeiten, wie zum Beispiel Keith Haring, der – Amphetamine sei Dank – „irgendwann in seinen letzten Jahren überhaupt nicht mehr geschlafen hat, weil ihm einfach die Zeit zu schaden war, weil er nur noch produzieren wollte“, so Blanke.
Ungefähr 150 Menschen haben sich für den Entzug beworben. Wer sich jetzt voller Vorfreude auf die Befriedigung seiner voyeuristischen Bedürfnisse auf den Weg zu den KW begibt, hoffend, einen schweißgebadeten Suchtfall anzutreffen, wird jedoch enttäuscht werden. Die Tür des Hotelzimmers bleibt verschlossen. „Es wird überhaupt nicht kommuniziert, ob da jemand ist. Es geht nicht um den Blick auf den, der den Entzug macht. Es geht um das Thema von Sichtbarkeit und Nichtsichtbarkeit. Mit der Anzeige sollte ein gedanklicher Raum geöffnet werden“, so Kapp. Was sich in diesem abspielt, bleibt jedem selbst überlassen. „Wir schaffen eine Leerstelle.“
Diese Leerstelle ist ziemlich groß; offen bleibt, ob die Öffentlichkeit nach der Anzeige und der Einladung, die über Plattformen wie E-flux und Freeze kommuniziert wurden, überhaupt noch miteinbezogen wird. „Cold Turkey“ spielt mit dem Voyeurismus und Exhibitionismus der Gesellschaft – und das sehr medienwirksam für ein Projekt, das sich gleichzeitig von aufmerksamkeitsheischenden Boulevardjournalismus distanzieren wissen will.
Hotel Marienbad, KW Institute for Contemporary Art, bis 30. April
Mehr Informationen unter www.kw-berlin.de, www.hotelmarienbad.com