Die blaue Blume wird Wirklichkeit

Durchbruch für das Romantik-Museum

Frankfurt/Main (dpa) - Es war das kulturpolitische Aufregerthema des vergangenen Jahres: das kommunalpolitische Gezerre um das Romantik-Museum neben dem Frankfurter Goethehaus. 2013 sah alles danach aus, als würde das Projekt eine «blaue Blume» bleiben. In der Epoche der Romantik steht dieses Symbol für die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren. Wie die Blume nun doch Wirklichkeit wurde, ist eine lange Geschichte - und ein Exempel für die kulturpolitischen Grabenkämpfe in der Geldstadt Frankfurt.

Die Vorgeschichte: Das Freie Deutsche Hochstift hatte im 19. Jahrhundert den Abriss von Goethes Geburtshaus verhindert und ein Museum einrichtet. Seit über 100 Jahren sammelt es Handschriften aus der Goethe-Zeit und der Romantik. Mehr als 1000 Kisten haben sich im Keller angesammelt: 30 Kisten Brentano, 12 Kartons Eichendorff, 10 Schachteln Novalis, 50 Schachteln der von Arnims. Es ist unbestritten die weltweit wichtigste Sammlung von Handschriften aus dieser Zeit, nur zu sehen bekommt sie - außer ein paar Wissenschaftlern - niemand.

Der Plan: Als 2012 das Gebäude nebenan frei wurde, sah das Hochstift die «historische Chance» für einen Erweiterungsbau. Die veranschlagten 16 Millionen Euro sollten je zu einem Viertel von Stadt, Land, Bund und Bürgern kommen. Die Beinahe-Pleite: 2013 strich der Römer überraschend «seine» vier Millionen aus dem Haushaltsplan. Das Hochstift musste nun nicht nur seine eigenen und die von den Bürgern einzuwerbenden Millionen beschaffen, sondern auch noch den Anteil der Stadt aufbringen.

Die Debatte: Das Feuilleton schäumte, Hochstift-Direktorin Anne Bohnenkamp-Renken hatte «schlaflose Nächte», Ex-Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) wetterte gegen den «Vertragsbruch». Ihr Amtsnachfolger Peter Feldmann (SPD) veröffentlichte in dieser Zeit ein Thesenpapier, in dem er darlegt, dass Kulturpolitik «immer auf eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse ausgerichtet sein muss». Den Strippenziehern hinter den Kulissen gelang es, Bund und Land bei der Stange zu halten und zu verhindern, dass Weimar - als zweite große Goethe-Stadt - die Fühler nach den Handschriften ausstreckt.

Der Durchbruch: Durch 700 Einzelspenden kamen 6,2 Millionen Euro zusammen, das meiste stammt von Banken und Stiftungen, ein Kölner Galerist gab eine Million. Kurz vor Weihnachten rang man sich im Römer dazu durch, die noch fehlenden 1,8 Millionen draufzulegen. «So ist aus der ersehnten blauen Blume nun doch ein konkret erreichbares Ziel geworden», sagte Bohnenkamp-Renken am Dienstag, als sich SPD- und CDU-Politiker im Goethehaus demonstrativ gegenseitig auf die Schultern klopften. Roth gab sich versöhnt, Feldmann lobte Bettina von Arnim als Sozialkämpferin.

Das Argument: «Romantik, das ist nicht ein Glas Rotwein und Kerzenlicht», sagte Petra Roth in ihrer gewohnt trocknen Art. Romantik ist eine düstere und widersprüchliche Epoche, eine Gegenbewegung zur Aufklärung, in der Leidenschaft und Fantasie höher bewertet werden als Vernunft und Schönheit. «Eine Schlüsselepoche der deutschen Geistesgeschichte», findet man im Hochstift, die nirgendwo im Lande angemessen präsentiert und dem Laien erklärt werde.

Inzwischen läuft der Architekten-Wettbewerb. Vorgesehen sind 600 Quadratmeter für Gemälde aus der Goethezeit, 600 Quadratmeter für die Romantik und 600 Quadratmeter für Wechselausstellungen. Die Hauptarbeit steht allerdings noch bevor: Die «alten Medien» der Romantik - Briefe und Manuskripte, Locken und Lesebrillen - so zu präsentieren, dass sie auch Menschen interessieren, deren Alltag von «neuen Medien» wie Smartphones geprägt wird. Das weiß auch die Hochstift-Chefin: «Das Kind ist noch nicht geboren, aber gezeugt.»