In Berlin wird das Büro Graft museumsreif

Ein architektonischer Bastard

Pflanzen miteinander zu vereinen, damit ein leistungsfähigeres Neues entsteht, bei Obstbäumen, Weinreben oder Kakteen zum Beispiel. Im Deutschen nennt man das „pfropfen“ – doch die Architekten Gregor Hoheisel, Christoph Körner, Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit fanden den englischen Begriff dann wohl doch eleganter, um ihre Begeisterung für Fusionen und Hybrides auszudrücken.

Vor 13 Jahren gründeten die Studienfreunde in Los Angeles das Architekturbüro Graft, mittlerweile haben sie Filialen in Berlin und Peking eröffnet und beschäftigen um die 100 Mitarbeiter. Sie entwarfen einen kleinen „Solarkiosk“ und ganze Stadtviertel in China, bauten gemeinsam mit Brad Pitt neue Häuser für das zerstörte New Orleans, gestalteten Hotels und Lofts. Egal ob high-end oder low budget, immer bemühte sich Graft um zukunftsweisende Formen und ökologisch schlaue Lösungen. Leitbild ist eben der architektonische Bastard, der Gegensätzliches möglichst produktiv verbindet.

Jetzt bietet Berlin den Architekten die Gelegenheit zu ihrer ersten institutionellen Retrospektive in Deutschland, die natürlich nicht zurückblicken, sondern die gestalterische Avantgarde des 21. Jahrhunderts inszenieren soll. Mithilfe von Installationen, Möbeln, Modellen und anderen Objekten wird das Haus am Waldsee in eine Graft-Welt verwandelt.

Das Motto lautet „Distinct Ambiguity“. Die Welt, sagen die Graft-Architekten, sei nun einmal eindeutig mehrdeutig geworden. Neugier auf unterschiedliche kulturelle Traditionen definieren sie als eine ihrer  Antriebskräfte, die Nähe zum Narrativen als besten Garanten eines gelungenen Entwurfs: „Wir verstehen Architektur als visuelles Geschichtenerzählen“, schreiben sie in einem programmatischen Text zum Künstlerbuch, das die Ausstellung begleiten wird. Über einem anderen Artikel, zum Thema Nachhaltigkeit, steht „Happiness“. Wer unter der Sonne Kaliforniens seine Karriere begann, begegnet sogar dem Klimawandel mit Lebensfreude.

Haus am Waldsee, Berlin, 23. November bis 12. Februar 2012