Eileen Gray im Centre Pompidou

Ein Platz in der ersten Reihe der Moderne

Wie so oft stand sie im Schatten eines großen Mannes: Die Schlangen vor dem Centre Pompidou galten bis Ende März Salvador Dalí. Jetzt ist die Blockbustershow vorbei – und Eileen Gray und ihr berühmtestes Werk, der kleine, schlichte Beistelltisch „Adjustable Table“ (1927), rücken in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Die erste Retrospektive in ihrer Wahlheimat Paris – 37 Jahre nach ihrem Tod – war längst fällig, gehört die irische Möbeldesignerin und Architektin doch in die erste Reihe der Pioniere der Moderne. Leider war die emanzipierte Lady mit den kurzen Haaren und den Herrenanzügen nie besonders auf Ruhm bedacht. Sie baute nur drei Häuser, produzierte Möbel nicht in Massen, und die wenigen erhaltenen Originale sind in Privatbesitz verschwunden.

Gern hätte man zum Beispiel den „Fauteuil aux Dragons“ (1917–1919) gesehen, der 2009 aus der Sammlung von Pierre Bergé und Yves Saint Laurent bei Christie’s in Paris für 21,9 Millionen Euro von einem anonymen Käufer ersteigert wurde und damit als teuerstes Möbel aller Zeiten in die Geschichte eingegangen ist. Stattdessen ergänzen nun Filmvorführungen, wandgroße Foto­reproduktionen und historische Magazine die Exponate.

Die Schau erzählt die Biografie der 1878 geborenen Autodidaktin chronologisch und verfolgt dabei die Verbindungslinien ihrer Entwürfe, etwa zum Art déco und zur japanischen Lackkunst. Grays Konflikt mit Le Corbusier wird aber nur am Rande behandelt. Hierfür hätte die Villa „E-1027“, die sie mit ihrem Lebensgefährten Jean Badovici Ende der 20er-Jahre in Roquebrune-Cap-Martin baute, als Schlüssel dienen können: Die Malereien, mit denen der berühmtere Le Corbusier die Wände nachträglich und ohne ihre Billigung okkupierte, sind Sinnbild für den Chauvinismus, gegen den sich Gray zeit ihres Lebens behaupten musste.

Am Beistelltisch, der für die Villa an der Côte d’Azur entstand, wird Eileen Grays undogmatische Auffassung von Design deutlich. Das Funktionale und das Sinnlich-Dekorative standen für sie gleichberechtigt nebeneinander. Und ein Haus war für sie keine Maschine, sondern eine Muschel oder ein Kokon. Und damit ist sie heute moderner als Le Corbusier.

„Eileen Gray“, Centre Pompidou, Paris, bis 20. Mai