Neues zu Kubricks Meisterwerk

Ein Wiedersehen mit "2001"

Wenn es ihn nicht schon gegeben hätte, für "2001: Odyssee im Weltraum" hätte der Begriff Space-Opera erfunden werden müssen. Der amerikanische Regisseur Stanley Kubrick eroberte mit einer derartigen Detailwut das All, dass er mit seinem Werk Maßstäbe für das Genre setzte. Nie zuvor war ein Science-Fiction-Film so nah dran an der Wirklichkeit gewesen. Zwar sollte die Welt 2001 ganz anders aussehen, aber aus der Perspektive der Produktionsjahre 1965 bis 1968 wirkte der Entwurf überaus realistisch.

Der Taschen Verlag hat nun eine Kassette mit vier Bänden vorgelegt, die die Entstehung von "2001" minutiös nachzeichnen. Vor allem die Zusammenarbeit Kubricks mit dem Autor Arthur C. Clarke, der mit einer Erzählung die Vorlage lieferte, wird breit behandelt. Bei einigen Filmtricks gibt sich Piers Bizony, der Verfasser des Making-ofs, allerdings bedeckt. So erfährt der Leser auch von ihm nicht, wie das atemberaubende Set der "Zentrifuge" im Raumschiff Discovery One funktioniert, durch das Kubrick einen seiner Astronauten joggen lässt, während sein Kollege an der Decke zu kleben scheint.

Angesichts der Bilderpracht und der kühlen Perfektion von "2001" ist es schon erstaunlich, wie holperig der Weg zum ersten Skript war, wie häufig Kubrick und Clarke nachbesserten und wie hoch der Verschleiß an Mitarbeitern und Material war, bis das Weltraumabenteuer endlich über die Leinwände flimmern konnte. So komponierte Hollywoodprofi Alex North eine Musik, die kurz vor der Uraufführung durch die bekannten Klassikstücke von Johann Strauss bis György Ligeti ersetzt wurde.

Was die Spezialeffekte anging, leistete das Team um Douglas Trumbull Pionierarbeit. Wobei das "2001"-Universum nicht, wie später die "Star Wars"-Galaxie, sämtliche Naturgesetze auf den Kopf stellte, sondern streng an den bis dato erforschten Möglichkeiten orientiert war. Da im Weltraum Schwerelosigkeit zu herrschen hat, entwarfen die Trickexperten plausible Techniken, um diese zu simulieren.
Mit dem Supercomputer HAL – der Bezug zu den im Alphabet folgenden Buchstaben IBM ist rein zufällig – entwickelten Kubrick und Clarke das erste schurkische Elektronengehirn, einen allwissenden Computer, der sich mit balsamischer Stimme nach dem Befinden seiner "Schützlinge" erkundigt, um schließlich kaltblütig die lebenserhaltenden Systeme an Bord abzudrehen. Wie HAL ein Besatzungsmitglied nach dem anderen beiseiteschafft ist großes Thrillerkino. Und doch empfindet der Zuschauer erstaunliches Mitleid mit dem Mörder, wenn es ihm selbst an die Platinen geht. Als der überlebende Astronaut Bowman HALs Gedächtnis löscht, wirkt der Akt aus Notwehr fast melodramatisch.

Wie immer hält sich Stanley Kubrick ansonsten mit überschüssigen Gefühlen zurück. Das Zusammentreffen zwischen russischen Kosmonauten und einem verschwiegenen Raumfahrtexperten inszeniert der Regisseur als unverbindlichen Austausch von Komplimenten. Und wo fröhliche Kinder oder Eltern mit Glückwunschbotschaften auf Bildschirmen auftauchen, wirken sie wie aus einer anderen Welt.

Das zentrale Symbol des Films, ein schwarzer Monolith, der aus der Minimal Art der 60er-Jahre stammen könnte, hat sich auch in der Gestaltung der Box niedergeschlagen. Die vier Bände stecken in einem Metallschuber, der dem rätselhaften Stein nachempfunden wurde. Im ersten Band sind viele der "2001"-Modelle im Versuchsstadium zu sehen, Band zwei punktet mit rund 100 Einstellungen aus dem ursprünglichen Negativ, die einmal mehr große Bewunderung für Kubricks Gespür für Technik und Kunst abnötigen. Neben einem Faksimile des Originaldrehbuchs und der Produktionsnotizen enthält die Box auch einen Nachdruck der "2001"-Parodie aus dem Satiremagazin "Mad" – in dem ein ziemlich anachronistisches Urteil über einen "langweiligen, wirren Film" gefällt wird.

Piers Bizony: "The Making of Stanley Kubrick’s '2001: A Space Odyssey'", auf Englisch, Taschen Verlag, vier Bände im Metallschuber, 1386 Seiten, 500 Euro