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Eine Erzählung höheren Grades

Der glamouröse Name führt in die Irre, der Marabu ist ein groteskes Tier. Der lange Schnabel wirkt stockfleckig, die senkrechte Haltung rachitisch. Und doch ist „Marabu“ (2009) eines der schönsten von zahlreichen neueren Kunstwerken, in denen Tiere eine Rolle spielen. Die meisten Arbeiten von Haris Epaminonda, 1980 in Nikosia auf Zypern geboren, basieren auf gefundenem Bildmaterial (ein Marabu aus einem alten Tierlexikon machte den Anfang) und auf selbst gedrehten Super-8-Filmen (im Zoo filmte sie ein Exemplar beim Dösen).

Die ehemalige Stipendiatin des Künstlerhauses Bethanien fiel auf, als sie in ihrer Installation zur 5.  Berlin-Biennale eine Garderobe der Neuen Nationalgalerie in ein bildungsbürgerlich-anthropologisches Kabinett verwandelte. Aufgeschlagene Bücher, Skulpturen, weiterbearbeitete Bilder ergaben einen sorgfältig arrangierten Kosmos, der sich nicht endgültig entschlüsseln ließ, aber ästhetisch überzeugte. Entscheidend für Haris Epaminonda sind gewissenhafte Auswahl und Komposition. Auch in ihren Filmen, die an Amateur­aufnahmen oder alte Soap-Operas erinnern, museale Figürchen und vergilbte Landschaften vereinen.

Nichts an ihren traumhaften Sequenzen ist dabei einschläfernd oder beliebig, Epaminondas Filme sind reinste visuelle Verführungskunst: Ob alles durchdringende Sonnenstrahlen oder stumme Gesten ohne Kontext, ihre filmischen Collagen ergeben eine Erzählung höheren Grades. Ihre nur scheinbar objektive Kameraführung hat manchmal detektivische Qualitäten, wenn sie etwa ein Auto beobachtet, das einen Baum über ein Feld zieht. Oder sie wirken stoisch-touristisch, wie eine Standeinstellung auf die Akropolis, die so lange dauert, dass man künstlerische Sturheit oder das Vergessen der Kamera vermutet.

In der Frankfurter Schirn zeigt sie jetzt neueste, eigens entstandene Filme, die wieder nur der Epaminonda-Dramaturgie gehorchen: Sie gehört zu den eigenwilligsten der Gegenwartskunst.

Kunsthalle Schirn, Frankfurt, 13. Mai bis 31. Juli. Eröffnung: Donnerstag, 12 Mai, 19 Uhr