Neubau der Rothschildbank in London

Eine sichere Bank

Der Aberglaube hat die Ziffer 13 aus dem Blickfeld verbannt. Auf die zwölfte Sitzreihe folgt in Flugzeugen einfach die 14. Auch in Gebäuden fehlt oft der 13. Stock. Entweder wird er einfach nicht mitgezählt (in Wahrheit ist die 14. Etage also die 13.) oder anderweitig verarbeitet. So wie in Rem Koolhaas' neuestem Bau.

Die Rothschildbank hat den niederländischen Architekten und sein Büro OMA damit beauftragt, ihrem alten Firmensitz ein neues Gesicht zu verleihen. Und obwohl der British Council mitten im mittelalterlichen Stadtkern von London eigentlich nicht mehr als sechs Stockwerke erlaubt, gelang es Koolhaas 15, naja, 14 Etagen zu errichten: Auf acht liegen Großraumbüros, auf zwei Einzelbüros, außerdem gibt es einen Dachgarten, ein Elektrizitätsspeicher, eine Konferenzchefetage und ein „Sky Pavillon“ – den 13. Stock versteckt Koolhaas im Elektrizitätsspeicher, im „Plant-Level“.

Seitdem Mayer Amschel Rothschild einen seiner fünf Söhne am Ende des 18. Jahrhunderts nach England sandte, residiert die Familie bereits in New Court an der St. Swithin’s Lane. Erst in den 60er-Jahren wurde der viktorianische Bau in ein modernistisches Gebäude umgebaut. 2005 reichte der Platz nicht mehr und Koolhaas hat nun eine Art Glas-Baukasten-Architektur errichtet – sein erstes Gebäude in London überhaupt.

Transluzent ist nicht gleich transparent
Insgesamt 21.000 Quadratmeter entstehen aus fünf Elementen, die über- und nebeneinander gesetzt wurden. Der „Sky Pavillon“ und die Elektrizitätsetage sitzen wie ein Würfel auf einem zentralen Kubus, den drei weitere Anbauten umgeben. Die Glasfassade wurde in der inneren Struktur fortgesetzt. So haben selbst die Chefetagen verglaste Büros, deren Scheiben sich allerdings auf Knopfdruck in eine Art Milchglas verwandeln können. Transluzent ist eben nicht gleich transparent. Auch wenn das Haus ab dem siebten Stockwerk in direkter Umgebung keine Nachbarn mehr dulden muss (zu Norman Fosters „Gherikin“ und Renzo Pianos neuem „Shard“-Turm sind es jeweils etwa ein Kilometer Luftlinie) –  die Bank schützt sich gegen neugierige Blicke, auch mit Aluminiumgitter an der Fassade.

Die Stadt erlaubte OMA übrigens 15 Stockwerke zu bauen, weil Koolhaas eine Sichtachse zwischen der St. Swithin’s Lane und der Kirche St. Stephen Walbrook schuf, eine Achse, die es seit mehr als zweihundert Jahren Baugeschichte nicht mehr gab. Zwischen dem kleinem Anbau rechts, in dem in Zukunft eine Bibliothek untergebracht wird, und einer großen Eingangshalle links erstreckt sich ein Hof, der den Blick auf die Kirche freigibt. Wer sich in die kleine Straße im großen Bankviertel verirrt, darf sich über dieses kleine Bonbon freuen.

Den eigentlichen Höhepunkt wird der Passant jedoch verpassen: bei einer Tasse Tee über den Dächern der Stadt, direkt unterm Himmel im Pavillon sitzen. Schlimm ist das aber nicht. Alles was über der zwölften Etage kommt, scheint dem Aberglauben näher zu sein als der Vernunft, so dass man lieber auf dem Boden bleiben sollte. So wie Koolhaas mit seinem Gebäude schießlich auch.