James Franco im Interview

Einer für alle

Herr Franco, Sie sind einer der meistbeschäftigten Schauspieler Hollywoods, gerade erst wurden Sie für Ihre Darstellung des verunglückten Bergsteigers in „127 Hours“ gefeiert. Außerdem drehen Sie selbst Filme, schreiben Bücher – und jetzt eröffnen Sie eine Ausstellung in Berlin. Seit wann machen Sie Kunst?
In der Berliner Galerie Peres Projects zeige ich eine große Installation, die aus Videos, Skulpturen, Fotos und Film besteht. Ein Großteil der Werke geht auf die Zeit zurück, als ich an der UCLA (University of California) Literatur studierte. Mit einigen Leuten vom Kunstseminar arbeitete ich damals an Videos, die sich um Kinderhäuschen drehen. Kleine Häuser, auf die wir mit Maschinengewehren schossen und die wir in die Luft jagten. Später einmal habe ich auch das Special-Effects-Team von der „Spider-Man“-Crew gebeten, die Häuser zu bearbeiten. Und jetzt tauchen diese Häuser als Skulpturen in der Ausstellung auf.

Die Schau trägt den Titel „The Dangerous Book Four Boys“. Demnach geht es ums Junge-Sein.

So wörtlich ist das nicht zu verstehen. Es geht weniger um die Jugend als darum, Perspektiven zu verschieben. Meine Häuser sind wie echte Häuser, nur eben kleiner. Man beurteilt Dinge anders, wenn sich ihre Größe ändert.

Wenn Sie selbst als Regisseur arbeiten, kommen meist Filme experimenteller Art heraus. Der neueste heißt „Three’s Company: The Drama“. Was darf man da erwarten?
Der Film bearbeitet ein ähnliches Feld wie die Ausstellung. Es handelt sich um eine Adaption der amerikanischen Sitcom „Three’s Company“ („Herzbube mit zwei Damen“) – der erfolgreichsten Serie der 70er- und frühen 80er-Jahre. Die Handlung ist simpel: Ein Typ und zwei Frauen wohnen zusammen. Die Serie ist billig produziert und aus heutiger Sicht extrem schmierig. Damals aber war sie ziemlich progressiv, weil sich alle Witze um Sex drehen. Da sie jedoch zur Primetime lief, musste man alles hinter mehrdeutigen Anspielungen verstecken. Diese Spannung hat mich interessiert. Daher haben wir drei originale Drehbücher genommen und aus der Komödie ein Melodram gemacht.

Gerade das Fernsehen scheint Ihnen eine große Inspirationsquelle zu sein. Sie spielen in den überdrehten Seifenopern des Künstlers Kalup Linzy und sind Gaststar in „General Hospital“, einer der am längsten laufenden Fernsehserien der Welt. Woher die Faszination für die Niederungen der amerikanischen Kultur?
Das Fernsehen steht seit 60 Jahren im Zentrum unseres Lebens. Es gehört zu jedem Haushalt, wie ein Familienmitglied. Gleichzeitig wurde es immer schon als niedere Unterhaltungsform angesehen. Mich fasziniert es, die narrativen Strukturen des Fernsehens zu untersuchen und zu schauen, inwieweit sie denen anderer Kunstformen ähneln, die als hochwertiger gelten – also von Büchern oder Filmen zum Beispiel. Gleichzeitig interessiert mich, wie das Fernsehen alles durchdringt, wie es unser Leben infiltriert und unsere Persönlichkeit formt. Wir befinden uns jetzt an einem historischen Moment, wo das Fernsehen vom Internet abgelöst wird – gerade darum scheint es mir der richtige Zeitpunkt für eine Beschäftigung damit zu sein.

Wie kam Ihr „General Hospital“-Projekt zustande?
Es begann damit, dass ich eine Reihe von Projekten mit dem Künstler Carter gemacht habe. Vor allem Filme, in denen ich auftrete. In einem davon spiele ich einen früheren Soap-Star, der kündigt. Da kam die Frage auf, was passieren würde, wenn ich, der Schauspieler James Franco, anfangen würde, in einer Soap aufzutreten. Der übliche Karriereweg verläuft ja gerade andersherum: dass man bei einer Serie beginnt und dann zum Film kommt. Und ich hatte auch einfach Lust, mal richtig melodramatisch zu sein – das darf ich in meinen Filmrollen sonst nie.

Und was genau machen Sie in der Serie?
Nun, wir haben bei „General Hospital“ angerufen und von unserer Idee erzählt. Sie waren überrascht, aber gleich einverstanden und sagten, ich könnte die Figur nach meinen Vorstellungen gestalten. Meine Vorgabe war, dass es sich um einen Künstler mit einem richtigen Dachschaden handeln sollte – den Rest überließ ich den Drehbuchautoren. Sie entwarfen dann diesen Psychopathen, der ein Multimediakünstler ist und den Namen Franco trägt. Fast wie ich selbst.

Das Projekt besteht also darin, dass Sie als Künstler Ihre Persona als Filmstar benutzen, um in einer Seifenoper einen Künstler zu spielen?
So in etwa. Filme über Kunst oder Künstler, besonders zeitgenössische Künstler, sind fast immer schlecht, weil es so schwierig ist, die Wirkung eines Werks auf Film zu bannen. Es ist, als erfröre die Kunst und büßte die Kraft ein, die sie in einem Museum oder einer Galerie ausstrahlt. Die Idee war, dem zu entgehen, indem wir bei „General Hospital“ diesen Künstler in einer Soap-Opera auftreten lassen und alles so überdreht und sich seiner eigenen Künstlichkeit sehr bewusst ist.

Was haben Sie von diesem Experiment mitgenommen?

Mir wurde deutlich, wie sehr der Kontext darüber bestimmt, wie man wahrgenommen wird; gleichzeitig bestimmt er die eigene Performance. Ich war vorher nervös, weil ich nicht wusste, wie es ist, in einer Soap zu spielen. Ich habe dann schnell gemerkt, dass ich nur die Rolle, die mir zugeschrieben worden war, so realistisch wie möglich spielen musste. Realistisch gemessen an dem Realismus der Welt der Soap-Operas. Ich spiele einen Typen, der seine Installationskunst aus Tatorten macht, später kommt dann raus, dass ich in Wahrheit der Mörder bin und so weiter. Irres Zeug. Die Dialoge, das Make-up, das Licht – alles war schon bis zum Anschlag hochgedreht. Ich musste da gar nicht mehr viel beisteuern. Und als Nächstes konnte ich Filme mit Regisseuren wie Gus Van Sant oder Danny Boyle machen und ihre Rollen für ihre Welt so realistisch wie möglich spielen und kam völlig anders rüber – und das nur, weil sich der Kontext geändert hatte.

Sie haben sich zuletzt intensiv mit Marina Abramović auseinandergesetzt und Bruce Naumans Film „Art Make-Up“ nachgespielt. Sehen Sie sich denn noch als Schauspieler oder schon als Performancekünstler?

Marina Abramovis und Bruce Naumans Performances sind sehr grundlegend, sehr essenziell. Gleichzeitig untersuchen sie die verschiedenen Vermittlungsstufen, durch die eine Performance geht. Und das ist etwas, das mich auch sehr interessiert – in dem Sinne, dass meine eigene Persona das Fernsehen infiltriert.

Viele Künstler arbeiten heute in mehreren Medien gleichzeitig. Sie scheinen noch weiter zu gehen, indem Sie dabei auch verschiedene Distributionskanäle bedienen. Sie zeigen Ihre Arbeiten im Kino und Fernsehen, in Kunstinstitutionen, veröffentlichen Bücher, und das Internet ist voller Geschichten über Ihre Projekte.
Daraus gewinnen die Projekte sehr viel ihrer Energie. Aus dem Überlappen der verschiedenen Disziplinen und Medien und wie sie sich gegenseitig einen Rahmen, ein bestimmtes Format, zuweisen. Meine Hoffnung ist natürlich, dass sich das auch auf das Publikum überträgt, dass es die Sachen dadurch anders anschaut.
 
Ist die Figur James Franco der rote Faden, der alle Projekte zusammenhält?

Da bin ich mir nicht sicher, denn eigentlich reiße ich meine Projekte am liebsten aus allen Schubladen raus. Aber ich achte schon darauf, dass es irgendwo noch so etwas wie eine Kontinuität zwischen meinen verschiedenen Arbeiten gibt.

Welche Sparte haben Sie als Nächstes im Visier?
Kalup Linzy und ich singen jetzt gemeinsam. Das ist sehr befriedigend, weil es R & B ist, reine emotionale Hingabe. Mal schauen, wie weit wir damit kommen.

Am Samstagabend, 12. Februar, eröffnet James Franco von 19 bis 22 Uhr die Ausstellung "The Dangerous Book Four Boys" bei Peres Projects in Berlin. Am 27. Februar moderiert der Schauspieler außerdem an der Seite von Anne Hathaway die Oscar-Verleihung in Los Angeles