Vorschau auf das Programm

Es ist Berlinale, Schatz!

Ob schon wieder Weihnachten sei, fragt ein kleiner Junge angesichts der Glitzer-Spiralen, die sich um Straßenlaternen am Potsdamer Platz ranken. Nein, erklärt ihm seine Mutter, das sollen Filmstreifen sein – „es ist Berlinale-Zeit, mein Schatz“. Immerhin wissen Erwachsene noch, dass es einmal Filme auf Zelluloid gab. Alles auf dem Festival flimmert schon aus Digitalprojektoren. Auch der Eröffnungsfilm der 64. Berlinale: Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“ versammelt Stars wie Ralph Fiennes, Bill Murray und Tilda Swinton in einer Edelherberge zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg (in Monopol 2/2014 finden Sie ein Interview zu dem Film und der Arbeit Andersons).

Historische Stoffe stehen im Wettbewerb hoch im Kurs, bei den Regisseuren Yann Demange (Nordirland 1971) oder Dominik Graf (Rudolstadt 1788). George Clooneys „Monuments Men“ spielt 1944, kurz nach der Landung der Alliierten in der Normandie. Hitlers „verbrannte Erde“-Politik wird auf die deutschen Kunstschätze ausgeweitet, eine Truppe alliierter „Kunstschutzoffiziere“ treten eine geheime Mission an (hier ein Interview mit dem Autor des Buches, auf dem der Film basiert).

Wer Kunstthemen auf der Berlinale sucht, wird auch in der Sektion „Panorama“ fündig. „Finding Vivian Maier“ ist das Porträt einer 2009 verstorbenen Kinderfrau und Hobby-Fotografin, der faszinierende Momentaufnahmen aus dem amerikanischen Alltag gelangen. Filmemacher John Maloof ersteigerte die vormals unbekannten Bilder auf einer Zwangsauktion. Ein Film über wenig bekannte fotografische Werke ist auch Thomas Allen Harris’ Doku „Through A Lens Darkly: Black Photographers and the Emergence of People“. Harris zeigt, wie die Black Community die Kamera als Mittel für soziale Veränderungen für sich zu nutzen wusste.

Vom Inhalt der Filme her gesehen ist das Gestrüpp der vielen Festival-Nebensektionen ja weitgehend sinnfrei. Mancher Film in der Jugendsparte Generation ist selbst für über 30-Jährige harter Tobak. Das Programm des Forums – hervorgegangen aus einer Gegenveranstaltung zur Berlinale – zeigt kaum noch ein anderes Profil als das Panorama. Aber eine Neustrukturierung des Festivals (Cannes und Venedig sind viel schlanker organisiert) scheint der Abschaffung des deutschen Beamtentums gleichzukommen.

Im Forum präsentiert Heinz Emigholz mit „The Airstrip – Aufbruch der Moderne, Teil III“ einen neuen Architekturfilm, in „Das große Museum“ blickt Johannes Holzhausen hinter die Kulissen des Kunsthistorischen Museums Wien.

Und noch eine Sparte, im neunten Jahr, aber unter der Kuratorin Stefanie Schulte Strathaus die wohl profilierteste: Das Forum Expanded. Der Name leitet sich vom Begriff des „Expanded Cinema“ ab, der andeutet, dass Film nicht mehr im Kino (und ganz bestimmt nicht nur im Wohnzimmer) stattfinden muss. Hier wird also besonders deutlich, dass Kino und bildende Kunst mitunter nur noch schwer auseinander zu dividieren sind. Im Filmprogramm häufen sich die Filmlängen von 20 bis 60 Minuten. „Das mittellange Format scheint eine neue künstlerische Freiheit jenseits aller Normierungen zu bieten“, heißt es im Begleittext zum Forum Expanded. Omer Fasts Untersuchung des Alltags von Pornodarstellern „Everything That Rises Must Converge“ zählt ebenso dazu wie „Inferno“, Yael Bartanas – wenn man nicht eine neue Genre-Bezeichnung erfinden muss –  filmischer Essay anlässlich des Baus eines evangelikalen Tempels in Brasilien.

Im Hebbel am Ufer zeigt das Forum Expanded Werke der Underground-Legende Jack Smith. Die Gruppenausstellung der Sektion findet in der Kreuzberger Kirche St. Agnes statt (die künftig die Galerie Johann König beziehen wird). Neue Werke von Judith Hopf, Ken Jacobs oder Clemens von Wedemeyer in einem Gotteshaus – das ist ja doch irgendwie ein verspätetes Weihnachtsgeschenk.

Berlinale, verschiedene Orte in Berlin, bis 16. Februar. Das Programm und Spielstätten des Forum Expanded finden Sie hier