Philippe Pirotte über seine Pläne für die Frankfurter Städelschule

"Es ist wirklich ein Traum"

Herr Pirotte, können Sie kochen?
Ja, am liebsten mediterrane, auch afrikanische Gerichte wie Mafe, ein senegalesisches Gericht mit Lamm und Erdnüssen.

An der Städelschule gilt Kochen seit dem Kochkurs von Peter Kubelka als Kunstform. Noch heute gibt es dort eine experimentelle Küche.
Ich finde diesen Ansatz sehr klug. Schon Nietzsche fragte sich, ob es eine Philosophie des Essens gibt, auch Charles Fourier machte sich „gastrosophische“ Gedanken. Es passiert viel über das Ritual des Essens. In China ist die Mahlzeit entscheidend bei Geschäftsverhandlungen. In Nigeria erklärt derjenige, der bei Friedensverhandlungen anfängt zu essen, damit sein Einverständnis.

John Baldessari sagte in einem Gespräch mit Studenten der Städelschule, er glaube nicht, dass Kunst sich lehren ließe. Was denkt der neue Direktor?
Kunsthochschulen sind paradox. Ich selbst war Gastprofessor für Curatorial Studies, obwohl ich das nie studiert habe. Es geht auch nicht darum, Kunst zu „lehren“ – in diesem Sinne hat Baldessari recht –, sondern ein Umfeld zu schaffen, in dem Kunst sich entwickeln kann und Menschen entdecken, dass sie Künstler sein können. Eine Kunsthochschule ist der Ort, an dem sie andere Künstler treffen, sich ausprobieren und herausgefordert werden.

Sie arbeiten als Kurator und Kritiker. Werden Sie selbst Lehraufträge übernehmen, etwa im 2003 gegründeten Institut für Kunstkritik?
Ich schätze die Arbeit von Isabelle Graw an der Städelschule sehr. Es ist wunderbar, junge Kritiker und Theoriestudenten zusammen mit Künstlern und Architekten unter einem Dach zu haben. Ob ich eine eigene Klasse haben werde oder mehr Vorträge halte, entscheide ich erst, wenn ich die Strukturen vor Ort gut kenne. Ich bin Kunsthistoriker, nicht wirklich Kritiker.

Zwei Neuzugänge legte ihr Vorgänger Nikolaus Hirsch fest: Für Simon Starling kommt Peter Fischli. Ab Herbst 2014 übernimmt die Amerikanerin Amy Sillman die Klasse von Christa Näher.
Ich bin mit diesen Entscheidungen sehr glücklich. Aber ich habe auch Ideen, wen man als Gastprofessor oder zu Vorträgen und Diskussionsrunden einladen könnte, zum Beispiel Künstler wie Dora García oder Gabriel Lester. Es ist ja vor allem das Zusammenspiel von Professoren, das die Qualität einer Hochschule ausmacht. Meine Aufgabe als Direktor ist zunächst, die Freiheit zu erhalten, die die Städelschule braucht und für die sie bekannt ist. Diese gilt es gegenüber administrativen und finanziellen Einschränkungen zu verteidigen.

Die Unterfinanzierung der Städelschule war einer der Gründe, warum ihr Vorgänger nicht mehr als Direktor arbeitet. Gebraucht wird also ein moderner Manager wie Sie?
In diesen Zeiten ist es notwendig, sich mit den finanziellen Bedingungen auseinanderzusetzen, unter denen man Kunst unterrichtet und künstlerische Projekte verfolgt. Diese Sparobsession gibt es nicht nur in Deutschland. 1999 habe ich das Zentrum für zeitgenössische Kunst Objectif Exhibitions in Antwerpen mitgegründet. Es begann amateurhaft, aber wir stellten fest, dass man eine Institution verteidigen und legitimieren muss. Also sammelten wir Geld, bauten Strukturen auf und konnten das Zentrum in einem guten Zustand übergeben. Ähnlich erging es mir an der Kunsthalle Bern, die ich nach sechs Jahren mit einem großen finanziellen Plus verließ. Viele Kuratoren arbeiten am liebsten nur inhaltlich. Aber als Direktoren haben wir auch Verantwortung, die Institutionen für die Zukunft zu erhalten. Es geht dabei nicht um boshafte Manager-Tricks, sondern um Herausforderung.

Weit mehr als andere Institutionen sind Kunsthochschulen meist lokal ausgerichtet. Wie haben Sie Frankfurt bisher wahrgenommen?
Für eine relativ kleine Stadt ist die Museumsdichte sehr hoch. Frankfurt ist eine reiche Stadt, aber kein wirkliches Galerienzentrum. Es gibt eine gesunde Distanz zum Kunstmarkt und trotzdem wunderbare Möglichkeiten, sich in den Museen regelmäßig einem Realitätscheck zu unterziehen. Hier schaut dir nicht jeder die ganze Zeit über die Schulter, wie etwa in Berlin. Und man ist nicht andauernd in Versuchung, sich abzulenken. Ideen werden erst präsentiert, wenn sie schon verdaut sind. Aus der Frankfurter Szene kenne ich nur ein paar Leute wie Michael Riedel mit seiner Freitagsküche oder den Amerikaner Mike Bouchet, der schon lange Zeit hier lebt und arbeitet. Aber ich bin sehr gespannt, was hier brodelt. In jedem Fall ist es für mich eine Ehre, für die Städelschule arbeiten zu dürfen. Es ist wirklich ein Traum.

Welche Pläne haben Sie für die angegliederte Kunsthalle Portikus?
Das Programm wird in enger Zusammenarbeit mit der Kuratorin gestaltet. Sophie von Olfers bleibt noch bis zum Sommer 2014. Ich respektiere ihre Arbeit, aber denke, ich werde andere Akzente setzen. Das Programm soll globaler werden. Ich möchte nicht nur westliche, sondern auch Positionen aus anderen Regionen der Welt zeigen, etwa aus Lateinamerika, Afrika und Südostasien. 

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