Im Stau. Eigentlich ein Grund zur Nervosität. Aber im Autokino bewegt uns der Film. „Auto-Kino!“, Installation und zugleich Filmprogramm in der Temporären Kunsthalle Berlin, will aber mehr, als nur eine bestimmte Art Filmerlebnis rekonstruieren, das in Europa nie so recht Fuß gefasst hat und nur in den USA, in den 50er- und frühen 60er-Jahren, wirklich populär war. Der britische Künstler Phil Collins hat die Installation eingerichtet und ein 100-Filme-Programm kuratiert, mit dem er die – ohnehin oft fließenden – Grenzen zwischen Experimental- und Dokumentarfilmen, Thrillern, Melodramen und Kunstvideos ignoriert.
Teils hat Collins Künstlerfilme von Kollegen wie Harun Farocki, Christian Jankowski, Sharon Lockhart oder Hito Steyerl ausgesucht, andere (von Ilona Baltrusch oder Telémacos Alexiou) laufen im Rahmen einer Kooperation mit der Berlinale-Sektion „Forum Expanded“. Mit „Auto-Kino!“ verwirklicht der Künstler sein Konzept einer Drive-In-Ausstellung in der Temporären Kunsthalle. Nur stehen die Motoren der 15 hier geparkten Gebrauchtwagen still, wie das im echten Autokino vorwiegend auch der Fall ist.
Das Projekt ist (auch) eine Hommage an die – vor allem soziokulturell interessanten – Freilichtspieltheater, die auch in den USA aus Effizienzgründen auf dem Rückzug sind. Einst boten die Autokinos Jugendlichen die rare Möglichkeit, ihre Sexualität auszuleben. Collins interessiert sich eher für die Distanz der Zuschauer hinter der Windschutzscheibe und ihre somit aktivierte Reflexion über die Filme wie die eigene Betrachterrolle.
Neben Experimentalfilmen kommen auch deutsche Spielfilme aus fünf Jahrzehnten zum Einsatz. Collins will – an geschichtsträchtigem Ort: dem Schlossplatz – darauf hinweisen, dass das deutsche Kino „seiner selbst zuwenig bewusst“ sei. Er präsentiert Fritz Langs „Testament des Dr. Mabuse“ (1933) oder den lange Zeit vergessenen Peter-Lorre-Film „Der Verlorene“ (1951). Und der englische Künstler-Kurator schreckt auch nicht davor zurück, in Verruf geratene Filme wie das NS-Propaganda-Melodram „Die große Liebe“ (1942) oder Veit Harlans todessehnsüchtigen „Opfergang“ (1944) zu zeigen, Filme, die die Kino-Hits ihrer Zeit waren. Collins simuliert ein „deutsches Autokino“, das es so nie gegeben hat, das aber vielleicht einen klareren Blick durch den „Rückspiegel“ gewährt.
Bis 14. März. Informationen und das vollständige Programm unter www.kunsthalle-berlin.com