Robert Heinecken in New York

Fotograf ohne Kamera

Manche seiner früheren Methoden stießen ihm später selbst übel auf. Etwa die Fotografie von Richard Nixons Gesicht, das er über die Schamhaare eines Nacktmodells montierte ("unser Präsident mit einem Ziegenbart"). Oder dass er ab Anfang der 70er-Jahre Ausgaben verschiedener Magazine in Zeitungskioske schmuggelte, auf deren Seiten er das Bild einer vietnamesischen Soldatin gedruckt hatte – sie hält abgetrennte Köpfe in den Händen und grinst. "Vielleicht war es unverantwortlich", sagte Robert Heinecken 1988 in einem Interview, "aber damals schienen mir alle Mittel recht."

Heinecken (1931–2006) schuf schmutzige Bilder als Gegengift zur Hygiene der Massenmedien, sein Werk spiegelt die Widersprüche seiner Zeit. Love and peace und Bomben in Südostasien; Bürgerrechtsbewegung und Polizeiterror. Seine Wiederentdeckung erklärt sich durch das neue Interesse an West-Coast-Künstlern der 60er-Jahre, unter denen er mit seiner Radikalität und Experimentierfreude auffällt. Heinecken war ein Fotograf, der selten hinter der Kamera stand. Stattdessen plünderte er Zeitschriften, fertigte Collagen und Fotogramme, kombinierte Bild und Text, faltete Sexbilder zu Reliefs (Martha Rosler, in puncto Agitprop eine würdige Epigonin, bezeichnete sein Werk als „pussy porn“). Heinecken ließ Fotopapier vom Fernsehbildschirm belichten. Mit "Waking up in News America" entwarf er eine Rauminstallation, in der Wände und Böden, Möbel und Schaufensterpuppen mit den Gesichtern von Nachrichtensprecherinnen überzogen sind.

Das New Yorker MoMA versammelt in der Überblicksschau Arbeiten aus vier Dekaden und präsentiert den "para-photographer", wie er sich selbst nannte, als Vorreiter der "Pictures"-Generation und von Künstlern wie Cindy Sherman oder Richard Prince. "Warum sollte ich Models engagieren oder Freunde posieren lassen, wenn ich für ein paar Dollar etwas kulturell dermaßen Authentisches haben kann?", meinte Heinecken. "Die Massenmedien sind unsere Natur." Gerade die jüngere Fotografengeneration um Elad Lassry, Annette Kelm oder Roe Ethridge dürfte zustimmend nicken.

"Robert Heinecken: Object Matter", MoMa, New York, 15. März bis 22. Juni