John Bocks Gallery Weekend Berlin

Gegen diesen Kunststrich

Wenn John Bock, der Meister der wilden Installationen, die Kollegen besucht, findet er viele Seelenverwandte, von Pernice über Pettibon bis Meuser. Neugierig ist er auf die, bei denen es gegen den Strich geht - gegen den Kunststrich:

"Ich freue mich auf Nina Canell bei Barbara Wien Wilma Lukatsch und bei Konrad Fischer. Dieses Getröpfel und Geknacke ihrer Soundinstallationen und auch die Liebe zu diesen kleinen Objekten und der Art, wie sie verbunden sind. Ein Tonabnehmer an gluckerndem Wasser, sodass sich so eine Kratzsprache im Raum ausdehnt. Oder ein kleiner Knochen, der angebunden an eine Feder herumliegt und schreit: ‚Ja, ich möchte auch gern fliegen.‘

Diese winzige wissenschaftliche Hoffnung, die in einen Kreislauf des Absurden tritt. Kreisläufe kennt man ja von der Wirtschaft oder der Physik, aber Kunst kann einen Ball erst mal ins Feld werfen und dann abwarten, was passiert: ob er zurückkommt oder verschwindet oder ein Rezipient da hinten schimpft. In der Wirtschaft musst du immer achtgeben, dass der Kreislauf geschlossen ist, sonst läuft die Maschine nicht. Kunst ist davon frei.

Dann: Ai Weiwei bei Neugerriemschneider. Er hat in China politisch ziemlichen Ärger, sein Studio verloren, jetzt gerade wurde er verhaftet, da muss man natürlich erst abwarten, wie es weitergeht. Vorher schon hatte er überlegt, das Land zu verlassen. Das ist natürlich ein wichtiger Schritt für einen Künstler, den Nährboden und die gesellschaftliche Problematik, aus der er kommt, hinter sich zu lassen und quasi ein weißes Blatt Papier zu betreten, eine andere Kultur. Da stellt sich dann die Frage: Wie geht er damit um, welche Auswirkungen hat das? Was mich bei Ai Weiwei auch immer interessiert, ist die Art der Produktion. Sein Werk ist ja bestimmt durch das Serielle und Massenhafte, da bin ich gespannt, was er jetzt in Berlin zeigen wird.

Weiter geht es zu Manfred Pernice und Kitty Kraus bei Galerie Neu. Pernice schätze ich sehr als Künstler, da ist so eine Seelenverwandtschaft im Interesse am Verkrüppelten, in diesem Aufspüren von dem, was nicht beachtet wird, was links liegen bleibt. Bei ihm gibt es zum Beispiel diese Liebe zu 70er-Produkten und den Atmosphären, die davon ausgehen. Es kommt bei ihm vieles aus der Architektur. Seine Betonbunker etwa oder wenn er Container verwendet, die ja Behältnisse sind, aber auch Körper im Raum. Das find’ ich sehr gut, und dann will ich natürlich sehen, wie das Zusammenspiel mit Kitty Kraus wird.

Raymond Pettibon stellt bei Contemporary Fine Arts (CFA) aus, und da bin ich gespannt, wie er mit dem Raum umgeht, mit diesen riesigen Kammern. Pettibon ist ein guter Typ, der Glam ist an ihm vorbeigezogen, obwohl er ja eigentlich ein Star sein könnte. Ich hab’ ihn vor Kurzem zum Sushi-Essen in LA getroffen, das war super. In Kalifornien gibt es diese Comickultur, aber ich hab’ immer den Eindruck, als ob die gar nicht so groß rauskommen wollte, so selbstverständlich ist die. Und Pettibon ist deshalb in der Kunstwelt ein Fremdkörper geblieben, weil er wirklich immer noch ein Comiczeichner ist. Dadurch ruft er diesen Grenzgängerblick hervor. Ich mag es, wenn Künstler in ein Terrain gehen, das von Kunst angehaucht ist, aber wenn sie doch immer fest in einem anderen, nicht künstlerischen Gebiet bleiben.

Zuletzt: Corinne Wasmuht bei der Galerie Meyer Riegger. Ich habe gehört, dass Wasmuht die Ausstellung dort kuratiert und zwei Künstlerkollegen dazu eingeladen hat: Meuser und Daniel Roth. Meuser finde ich in jeder Lebenslage immer wieder wichtig. Seine Metallskulpturen erinnern an verkrüppelte Calder, die mit einer Art Wesens­evidenz spielen und sie mit einer lapidaren Irritation im Titel verbinden, etwa: ‚Drüberlegen so wie Schmiere‘.

Vom Humor her setze ich den so hoch an wie Kippenberger: Es geht immer gegen den Strich, gegen diesen Kunststrich, der Ruhrpott soll doch noch mal zu Wort kommen. Ich würde sagen: Podolski mit einer Metallplatte in der Hand. Sehr erfrischend im Vergleich zur glatten Oberflächenproduktion, die in den letzten Jahren auf dem Kunstmarkt so angesagt war. Meuser sucht diese glatte, mediale Präsenz gerade nicht, der führt eher das Innere nach außen durch seine Knickungen und Umstülpungen, das Gegenteil von Bling-Bling. Der Meuser hat schon mein Kunstdenken verändert durch seine Sprüche und seine ganze Art. Er mag die Menschen auf eine ganz aufrichtige Art."

Lesen Sie in der Mai-Ausgabe von Monopol außerdem die Empfehlungen von Kuratorin Susanne Pfeffer und Einzelhändler Andreas Murkudis. Plus: Alle Ausstellungen im Kurzführer.
Am 29. April eröffnet John Bock seine Ausstellung in der Berliner Galerie Klosterfelde. Einen Tag später, um 15 Uhr, eröffnet der Künstler mit einer Performance seine Ausstellung im Berliner Schinkel-Pavillon; die Schau läuft bis zum 29. Mai 2011. Weitere Performance am 1. Mai um 15 Uhr