Ausstellung in Chemnitz

Eine Gegenwart von vielen

Ein im Schlossteich versunkenes Auto hat in Chemnitz Passanten beunruhigt. Doch der Unterwasserwagen ist Teil einer Outdoor-Kunstschau über die Gegenwart

Statt Verunglückte aus dem Wasser zu retten, war die Chemnitzer Feuerwehr am Dienstag im Einsatz, um ein Auto ins Wasser zu versenken. Mit einem Floß manövrierten die Beamten den Wagen bis unter eine Fußgängerbrücke, von der aus verblüffte Zuschauer die Aktion beobachteten.

Der Skoda im Schlossteich ist die Idee des Schweizer Künstlers Roman Signer. Der "Freien Presse" erklärt er: "Unfall als Skulptur, könnte man sagen." Es ist sozusagen der konstruierter Schnappschuss eines Augenblicks, einer Gegenwart, die in ähnlicher Form wohl genau in diesem Moment irgendwo auf der Welt tatsächlich existiert. Zwar hat Signers Wagen extra eingebaute Unterwasser-Scheinwerfer, und besitzt keinen Motor oder Betriebsstoffe mehr, doch der Anblick scheint dennoch überzeugend realistisch zu sein. So habe es laut MDR bereits mehrere Anrufe besorgter Anwohner beim Rettungsdienst gegeben.

Der versunkene Wagen ist Teil des kostenlosen Public-Art-Projekts "Gegenwarten/Presences" in Chemnitz, das am Samstag eröffnet. Mit öffentlichen Skulpturen, Installationen und Performances wollen sich 20 Künstlerinnen und Künstler ganz auf das Hier und Jetzt konzentrieren und "alternative Gegenwarten" in der Stadt erlebbar machen, darunter Henrike Naumann, Shilpa Gupta, Anna Witt und Olaf Nicolai.

Individuelle Fragmente

So zeigt die LED-Medienfassade am Chemnitzer Hauptbahnhof nun lange Gedichte, als Teil des Beitrags von Mischa Kuball. Die Künstlergruppe Observatorium in Zusammenarbeit mit der Lyrikerin Barbara Köhler fragt in riesigen hölzernen Buchstaben "Was beginnt am Ende, was hört am Anfang auf?", und das Atelier le Balto pflanzt "Neun neue Gärten" in die Innenstadt.

Mit ihren ortsspezifischen Arbeiten betonen die Künstler die pluralistische Natur der Gegenwart. Allein in Chemnitz gibt es schließlich unzählige verschiedene Wirklichkeiten: politische, gesellschaftliche, urbane Perspektiven, die nicht zu einem einheitlichen Bild der Gegenwart zusammengefasst werden könnten. Stattdessen sind sich die Künstler bewusst, dass sie nur Fragmente des Ganzen zeigen - ihre ganz individuellen "Gegenwarten".