Bezahlung und Sichtbarkeit

Wie es um Geschlechtergerechtigkeit in der Kunst steht

Nicht nur zum internationalen Frauentag am 8. März: Künstlerinnen kämpfen immer noch um Sichtbarkeit und gleiche Bezahlung. Eine Bestandsaufnahme - und was sich ändern muss

Während Frauen im bundesweiten Durchschnitt rund 18 Prozent weniger verdienen als Männer, verstärken sich diese Ungleichheiten sogar in Kunst und Kultur: In den Jahren seit 2014 liegt der Gender Pay Gap in dieser Branche bei alarmierenden 20 bis 31 Prozent. Kunstschaffende mit Kindern befinden sich in einer besonders prekären Lage. Während eine Studie der deutschen Antidiskriminierungsstelle ergab, dass 42 Prozent der Eltern auch im beruflichen Kontext Diskriminierungserfahrungen machen, so ist der Wert in den Künsten ­– laut einer Umfrage von der Initiative "Kunst & Elternschaft" – mehr als doppelt so hoch: 92 Prozent der Eltern in den Künsten geben an, mit negativen Vorurteilen konfrontiert zu sein; in der Förder- und Stipendienlandschaft werden ihre Bedürfnisse nur selten mitgedacht.

Der Skandal von 2020 um die Vergabe der Neustart-Kultur-Förderungen durch die Stiftung Kunstfonds zeigte ebenfalls, wie zentrale öffentliche Förderinstrumente kommerzielle Galerien, Kunstmessen und männliche Künstler priorisieren und somit gesellschaftliche Ungleichheiten weiter zementieren. Selbst das Sonder-Stipendium für Künstlerinnen und Künstler mit Kindern unter sieben Jahren wurde nicht nach den Kriterien einer geschlechtergerechten Verteilung vergeben. So kritisierten das Bündnis Kind & Kunst München in ihrem offenen Brief, dass 49 Männer und 42 Frauen, sowie drei Paare die Förderung erhielten – obwohl Mütter den Großteil an unbezahlter Sorgeverantwortung schultern (der bundesweite Gender Care Gap liegt bei 52 Prozent), welche wiederum wichtige Zeit und Ruhe von ihrer künstlerischen Arbeit vereinnahmt.

Künstlerinnen werden jedoch nicht nur schlechter bezahlt als Männer, ihre Werke sind auch viel seltener in Ausstellungen zu sehen. Die Initiative "Fair share! Mehr Sichtbarkeit für Künstlerinnen" zeigt auf: "Ein Haus wie die Alte Nationalgalerie Berlin mit circa 1,5 Prozent Künstlerinnenanteil im Schaubestand steht hier repräsentativ für vergleichbare Sammlungen, doch auch im zeitgenössischen Bereich ist akuter Aufholbedarf. In der Hamburger Kunsthalle sind aktuell im zeitgenössischen Bereich nur 19 Prozent Kunstwerke von Frauen zu finden, im Museum Ludwig in Köln 20 Prozent und dies, obwohl das Gros der Absolvent*innen von Kunsthochschulen seit Jahren weiblich ist (mehr als 60 Prozent)."

Initiativen fordern Veränderungen

Schafft es dann trotz des fatalen "Gender Show Gaps" doch ein Werk einer Künstlerin in ein Auktionshaus, so erzielt es dort dramatisch geringere Gewinne. Eine umfassende Studie, die 1,5 Millionen Auktions-Transaktionen in 45 Ländern untersucht hat, hat ergeben, dass die Werke von Frauen im Schnitt für rund 47 Prozent geringere Beträge verkauft werden als die von Männern. Das Resümee: "Women's art appears to sell for less because it is made by women." So müssen wir uns auch in diesem Jahr am 8. März wieder an die Frage der Guerilla Girls erinnern, die gerade im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg ausstellen: "Müssen Frauen nackt sein, um ins Museum zu kommen?"

Bundesweit hat sich eine Vielzahl an Initiativen gegründet, die die Ungleichheiten in den Künsten aufdecken, anprangern, und Lösungsansätze aufzeigen. So forderten Vertreterinnen verschiedener Netzwerke in der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses (1. März) die Politik auf, in den verschiedenen Sparten eine paritätische Besetzung von Jurys, eine paritätische Vergabe von Fördergeldern, sowie eine Diversitäts-Quote von 30 Prozent einzuführen, um nicht-Weiße Minderheiten zu fördern. Die Initiative "Fair share!" fordert unter anderem, dass Sammlungen, Neunankäufe und Ausstellungen nach den Prinzipien der Gender-Gerechtigkeit konzipiert, umgesetzt bzw. nachgebessert werden. Die Gewerkschaft Ver.di für den Bereich Medien, Kunst und Industrie fordert ein existenzsicherndes Basishonorar für selbstständige Kreative und legt dazu ein Modell vor, das an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst angelehnt ist.

Die Akteurinnen und Akteure machen sich auch dafür stark, dem Gender-Care-Gap in den Künsten gezielt entgegenzuwirken. Seit Jahren setzen sich Initiativen wie "Mehr Mütter für die Kunst", "Kunst + Kind Berlin", "K&K – Bündnis Kunst & Kind", "Other writers need to concentrate" und "Bühnenmütter" dafür ein, Aufenthaltsstipendien familienfreundlich zu gestalten, zusätzliche Mittel für Betreuungskosten zur Verfügung zu stellen, die Altersgrenzen bei Stipendien und Förderungen abzuschaffen und Unterstützung beim Wiedereinstieg nach der Familienphase zu gewährleisten.

Die Strukturen in Angriff nehmen

Es ist also der Kraft der engagierten Netzwerke, Initiativen, Verbände und Kollektive zu verdanken, dass an den White Cubes der Kunstwelt langsam der Putz abbröckelt und das ungleiche Gerüst der Kunstwelt zum Vorschein kommt. Wütend machen jedoch nicht nur die Missstände an sich, sondern auch, dass das Engagement für eine gerechtere Kultur von jenen geschultert werden muss, die von ihrer Ungleichheit am meisten betroffen sind. Von Künstlerinnen – ob mit und ohne Kinder ––, die aus ihren ohnehin prekären Arbeitsverhältnissen hinaus, in nächtlichen Stunden, gegebenenfalls nachdem ihre Kinder schlafen, sich die Zeit nehmen müssen, um Politik und Kunsteinrichtungen über ihre eigene Missstände aufzuklären und in unbezahlter Arbeit Lösungswege für die verschiedenen Sparten vorzulegen.

Diese Zeit geht zu Lasten ihrer künstlerischen Arbeit, für die es ohnehin zu wenig Ruhe, Raum, Budget und gesellschaftliche Anerkennung gibt – was ihre künstlerische Präsenz nur noch mehr gefährdet. Damit muss Schluss sein.

Sowohl die Missstände als auch die Lösungen liegen vor und drängen auf schnelle Umsetzung. Für Kulturpolitik und Kunst-Einrichtungen gibt es keine Ausreden mehr, warum diese demokratiefördernden Maßnahmen der Geschlechter-Gerechtigkeit nicht auch umgesetzt werden sollten. Denn wenn die Kunstwelt nicht aus der Zeit fallen möchte, dann muss ihre Arbeit über Symbolpolitiken und Lippenbekenntnisse hinausgehen und sie muss ihre Strukturen in Angriff nehmen, die weiterhin patriarchal, mehrheitlich Weiß und elitär geprägt sind.