In Gent widmet sich der Belgier Koen van den Broek der Melancholie der Bordsteinkante

Die Sonne verfinstert sich hinter dem „Ghost Truck“, die Szene könnte amerikanischer nicht sein. Das gestrandete Vehikel hat in endloser Wüste seine letzte Ruhestätte gefunden. Der Ausstellungstitel „Curbs & Cracks“ sagt es schon: Koen van den Broek ist von der Straße, von Rissen, Spalten und Bordsteinen fasziniert. Gerade mal zehn Jahre hat der Maler gebraucht, um mit einer Retrospektive geehrt zu werden, was nicht zuletzt daran liegen mag, dass der vielgereiste Belgier seit 2001 zur Stammriege der Londoner Großgalerie White Cube gehört.

In blassen Farben und mit die Konturen verwischender Textur malt der 37-Jährige leere Autobahnen, geschlossene Garagen, erhabene Viadukte – und immer wieder Bordsteinkanten und Asphalt. Nur seine Schlagschatten sind dicht und schwarz. Von Menschen fehlt in den großformatigen Gemälden jede Spur, doch denkt man dabei nicht an Apokalypse, sondern an Stillstand. Den Blick meist stur nach unten gerichtet, ruft van den Broek die Welt wie ein missratenes Nachbild auf. Dabei ist ihm Pathos genauso suspekt wie Fotorealismus: Der Maler operiert an der Grenze von Abstraktion und Gegenständlichkeit. Die Repräsentation bröckelt in seiner Malerei genau wie der Straßenbelag. Während „Hillsboro 1“ einen Straßenzug mit weit ins Bild hineinragenden Schatten erkennen lässt, gibt sich „Wilshire BLVD #1“ nur noch wie eine abstrakte Komposition aus schwarzen, roten und pastellfarbenen Flächen. Die Komposition zerfällt in einzelne Formen und fügt sich wieder zu scheinbar dreidimensionalen Vexierbildern zusammen.

Seine Motive entwickelt er in thematischen Reihen und geht dabei immer von Fotografien aus, die er unterwegs selbst anfertigt. Gelegentlich gönnt er sich eine Ausnahme und überlässt die Wahl berühmten Kollegen vom Schlage eines John Baldessari. Der Amerikaner suchte Schwarz-Weiß-Aufnahmen unbekannter Spielfilme aus. Sie verleihen van den Broeks Impressionen umso mehr den Gestus des Ephemeren, der aus der Distanz fixierten Peripherie. Alles darin ist still. Alles ist erleuchtet.

Stedelijk Museum voor Actuele Kunst (S.M.A.K.), Gent, Belgien, bis 16. Mai