Queen-Porträts

God save ...

Zur Ruhe kann er sich deshalb nicht setzen. Im Juli und August wird Darren Baker während der Olympischen Spiele erst einmal 300 Athleten malen. Der Höhepunkt seiner Karriere war es dennoch, die Queen zu porträtieren, sagt Baker in seinem nordenglischen Akzent. Baker malte die Queen im Auftrag der Royal British Legion, einer Kriegsveteranenorganisation. Das Bild wurde im vergangenen Jahr zu ihrem 85. Geburtstag veröffentlicht.

Baker ist einer von zahlreichen Künstlern, die die Queen porträtieren durften, darunter prominente Namen wie der Fotograf Cecil
Beaton
oder der Maler Lucian Freud. Baker war vergleichsweise jung und unbekannt, als er den Buckingham-Palast mit seinem Skizzenblock betrat. Anfang 30, bis dahin hatte er vor allem prominente Sportler abgebildet. Nervös war er nicht. „Vielleicht weil mir das Ausmaß dessen, was ich da tat, gar nicht klar war.“ Das Ausmaß bedeutete: Berichterstattung in Zeitungen von der „Times“ bis zur „Sun“, Auftritte im Frühstücksfernsehen.

Ein Bild der Queen ist nicht einfach ein Bild der Queen. Für derartige, meist von prominenten Organisationen oder dem Königshaus medienwirksam veröffentlichte, Porträts interessieren sich plötzlich auch Menschen, die sich sonst wenig um Kunst oder Palast scheren. Ein neues Porträt ist ein nationales Ereignis. Vor allem dann, wenn sich dahinter ein kleiner Skandal verbirgt. „Off with her head!“ rief die „Sun“ über ein Queen-Porträt des Künstlers Justin Mortimer – ein Auftrag der Royal Society of Arts von 1998 –, das eine Queen zeigt, deren Kopf sich vom Körper zu lösen scheint.

Tatsächlich habe die Queen für eine „enorme“ Anzahl Porträts Modell gesessen, sagt Paul Moorhouse, Kurator an der National Portrait Gallery, weitaus mehr als andere europäische Monarchen, dazu für eine vielseitige Auswahl an Künstlern, auch junge und kontroverse. Dass Lucian Freud seiner Königin nicht gerade schmeicheln würde, musste ihr klar gewesen sein. „Sie sieht es aber als Teil ihrer Aufgabe, sich malen zu lassen“, sagt Moorhouse. Während das königliche Porträt, ob auf Leinwand, Münzen oder Siegeln, einst der reinen Vermittlung eines Images von Autorität diente, war es die Queen selbst, die für eine zeitgemäßere Repräsentation des Königshauses sorgte. Glich das Krönungsporträt Cecil Beatons einer geradezu märchenhaften Konstruktion samt Krone, Kugel und Zepter, war Dorothy Wildings Porträt aus demselben Jahr voller Jugendlichkeit, Glamour und Frische: neue Aspekte für eine Nation, die an alte Monarchen, vor allem Männer, gewöhnt war.

Gesellschaftliche Umbrüche etwa in den 60er-Jahren und der Aufstieg der Massenmedien trugen zur weiteren Dekonstruktion des autoritären royalen Images bei. Die Queen antwortete mit Bildern wie jenem, ebenso von Beaton, in dem sie eher als Mutter denn als Queen wiederzuerkennen ist. Auch Darren Bakers Bild reflektiert den bis heute andauernden, eigentlich unmöglichen Balanceakt der Königin, gleichzeitig besonders und normal wirken zu müssen. Es zeigt Krone und ans Kleid gepinnte Mohnblumen (ein Symbol der British Legion); aber auch die sonst in offiziellen Porträts selten zu sehenden königlichen Beine.

Bei allen Unterschieden zwischen Chris Levines „The Lightness of Being“ (es zeigt die Queen mit geschlossenen Augen), Gerhard Richters Bild einer unscharfen, entfernten Königin oder Thomas Struths riesiger Fotografie der Queen und ihres Mannes zum Diamantenjubiläum als „älteres Ehepaar“: Alle Künstler verbindet die Suche nach jener allgegenwärtigen und doch unfassbaren Erscheinung, die die Queen darstellt.

Aber wozu braucht eine Gesellschaft in Zeiten, in denen jeder die Monarchin auf einem Rundgang mit seinem Mobiltelefon fotografieren kann, das formale Porträt? Die im Porträt enthaltene Verbindung zur Vergangenheit sei für ein Volk heute etwas Tröstliches, sagt Kurator Paul Moorhouse. Der Queen wiederum erlaubt das vom Hofe veröffentlichte Porträt, ähnlich wie Prominente heute eigene Paparazzi-Bilder veröffentlichen, den kontrollierten Einblick in eine Persönlichkeit, die eigentlich gar nicht sichtbar ist.

Tatsächlich ist die Queen immer bereit, sich auf neue Weise darstellen zu lassen. In Chris Levines Hologramm etwa, für das der Künstler mehr als 10 000 Bilder aufnahm. Beim Porträtieren durch den tollpatschigen Australier Rolf Harris ließ sie sich kürzlich für einen BBC-Film aufzeichnen. Das Video, das heute bei YouTube zu finden ist, verrät trotz der Zwänge des Modellsitzens eine erstaunlich heitere und lebensnahe Monarchin. „A Queen must be seen to be believed“ soll ein beliebter Spruch der Königin sein.

"The Queen: Art and Image", National Portrait Gallery, London, bis 21. Oktober 2012