Der neue Sommer-Pavillon der Serpentine Gallery in London

Graben in der Vergangenheit

Der Anblick passt zum englischen Sommerwetter: Der Himmel dicht mit grauen Wolken, ein Wind rauscht in den Hecken, mittendrin ein flacher Bau, unter dessen Dach schemenhaft Besucher zu erkennen sind. Der neue Pavillon der Serpentine Gallery, das Sommerhäuschen des Londoner Kunsmuseums in den Kensington Gardens, in dem sich drei Monate lang alljährlich Londons Kreative zu Partys, Konzerten und Performances versammeln, könnte eigentlich auch auf einem Friedhof stehen.

In diesem Jahr ist eben alles anders: Nicht nur, dass mit Herzog & de Meuron erstmals Architekten bauen dürfen, die in England schon gewirkt haben – seit dem ersten Pavillon 2000 gilt die Bedingung, dass nur wer mitmachen darf, der noch kein Gebäude auf der Insel realisiert hat. Zum ersten Mal ist ein Künstler dabei: der chinesischer Blogger, Bildhauer, Filmemacher, Dissident und eben auch Architekt Ai Weiwei. Eigentlich wollte er sich nach dem Bau des Olympiastadions in Peking 2008 – auch eine Zusammenarbeit mit Herzog & de Meuron – nicht mehr an architektonischen Projekten beteiligen. Der Ko-Direktor der Serpentine Gallery, Hans-Ulrich Obrist, will nicht verraten, warum Ai nun doch mitwirkt; Obrist verweist auf die langjährige Zusammenarbeit des Künstlers sowohl mit den Architekten als auch mit der Museum.

Das Ergebnis ist – auf den ersten Blick – zurückhaltend und etwas trübe. Der begehbare Teil des Pavillons liegt erstmals zum größten Teil unter der Erde. Wie Archäologen sei man vorgegangen, kommentiert das Team seine Grabungsarbeiten. Man wollte die Fundamente und Reste der elf Vorgängerpavillons freilegen, die seit 2000 in den Kensington Gardens errichtet wurden. Warum Neues schaffen, wenn man auf Bestand aufbauen könne? Thema des Pavillons ist Vergänglichkeit und Erinnerung.

Es staubt und tropft
Ai Weiwei beschäftigt sich schon lange mit dem Einfluss des Gesterns auf die Gegenwart. Seine Architektur nutzt traditionelle Konstruktionstechniken und regionaler Ressourcen – in London nun also die Fundamente der Vorgängerpavillons. Elf Säulen stehen symbolisch für diese Bauten, eine zwölfte ist wahlweise platzierbar. Dazu Linien und Stufen, die die Reste der einstigen Häuser darstellen wie eine dreidimensionale Landkarte. Auf dieses Relief können die Bescuher klettern und sich setzen.

Ausgekleidet ist Ai Weiweis Pavillon mit Kork – der stark staubt. Dass der Pavillon von den britischen Behörden vorzeitig geschlossen werden müsse, wie Ais staubige Sonnenblumenkernen-Installation in der Tate Modern, müsse man aber nicht befürchten, beruhigt Obrist.

Ein Ort zum Innehalten soll der Pavillon in diesem Jahr werden, die Veranstaltungen werden sich um Erinnerung drehen. So richtig aber will die Kontemplation in dem zugigen Bau nicht gelingen. Und das eigentlich reizvolle Relief kommt kaum zur Geltung, versperrt das kreisförmige Dach doch die Sicht auf den Innenraum. Apropos das Dach. Der Bau ist Teil des kulturellen Begleitprogramms zur Olympiade und wurde deshalb früher als sonst geöffnet. Scheinbar auch etwas hastig: Das Dach leckt an mehreren Stellen.

Serpentine Gallery Pavilion 2012, Serpentine Gallery, London, bis 14. Oktober