Die Frieze läutet den britischen Kunstherbst ein

Groß, größer, London

Es kommt eben doch auf die Größe an. Knapp 7000 Quadratmeter misst die dritte Londoner Filiale der Galerie White Cube – mehr geht derzeit nicht in Europa. Shock and awe scheint die neue Taktik von Hirsts Hausgalerie zu sein, schon ins Entree passten locker zwei Trucks hintereinander rein, geflutet wird der Komplex von einem Neonhimmel. Und gefüllt sind die Säle mit allerfeinster Ware, drei Gurskys allein in der größten Halle, aber auch Newcomer wie Jacob Kassay (silberne Monochromie), dessen Preise sich in den letzten Jahren mehr als verzehnfacht haben, sind im Angebot. Dazu: ein groteskes Video der Chapman-Brüder, in dem sich Kakerlaken als die klügeren Kunstphilosophen erweisen – wenn sie nur nicht dauernd in menschlichen Körperflüssigkeiten ertrinken würden. Nein, keine weiteren Details an dieser Stelle.

Und die Frieze Art Fair am Regent’s Park? Sie ist voll wie immer, trotz des ständig zu hörenden Gemurmels, dieses Mal sei die Fiac in Paris kommende Woche aber nun wirklich besser. Aber auf der Frieze heißt es eben nicht: Size matters. Es gibt kaum spektakuläre Projekte – mal abgesehen von der schicken Yacht, die Christian Jankowski bei Klosterfelde verkaufen will und bei der man sich fragt, wie sie ins Zelt gehievt wurde. Ein echter Bootsverkäufer will einem dann noch ein wirklich großes Multimillionenboot andrehen, zu dem man die kleinere Frieze-Variante kostenlos dazubekäme, aber das Ganze ist eben, als Kunst deklariert, immer noch viel teurer als handelsüblich, und darin besteht die eigentliche Fiesheit des sich nur scheinbar als Ready-made deklarierenden Projekts. Es ist nicht bekannt, ob schon ein Sammler zugeschlagen hat.

Am Previewtag der Frieze war zu hören, dass die Geschäfte in diesem Jahr nicht gerade doll laufen. Viele Galerien gehen denn auch auf Nummer sicher, lassen schwierige, konzeptuelle Ware eher im Depot, fahren dafür die großen Namen auf. Reizend ein kleiner Knollennasenmann in einer großen Box von den Schweizern Fischli/Weiss bei Sprüth Magers, kraftvoll die Kombi eines abstrakten  Wolfgang-Tillmans-Fotos mit einer Augenskulptur von Isa Genzken, schauerlich schön der Einsiedlerkrebs im Aquarium von Pierre Huyghe, der in Brancusis „schlafender Muse“ von 1910 wohnt, umgeben von Wasserspinnen.

Konrad Fischer
zeigt zwei Arbeiten Hans-Peter Feldmanns, der Altmeisterporträts Clownsnasen aufgemalt hat, Jeremy Deller bei Modern Institute fiktive Pop-Plakate („Keith Moon Matters“), Michael Werner einen grandiosen Polke – Meteoritensteine, ein Motiv, das er kurz vor seinem Tod noch einmal aufnahm -, und man könnte jetzt ewig so weitermachen, darf aber nicht verschweigen, dass auch viel Langeweile und viel Zu-oft-Gesehenes diese Messe dominiert: Wann schafft eigentlich jemand mal das Genre „hyperrealistische Skulptur, die irgendwie witzig sein soll, aber nur eklig ist“ ab? Und wer braucht eine Version von Rodins "Balzac" mit Mickeymausohren? Niemand. Und da kann der Galerieraum noch so groß sein.

Übrigens, man muss ja nicht (nur) die Frieze besuchen. Die Tate Modern bietet derzeit Gerhard Richter, Tacita Dean und Taryn Simon, die Serpentine Gallery Anri Sala, die Hayward Gallery George Condo – und das Victoria & Albert Museum eine grandiose Postmoderne-Schau. London im Herbst: Es gibt Schlimmeres.

Frieze Art Fair, Regent's Park, noch bis zum 16. Oktober 2011