Skandal um Madrider Kunstmesse

"Günstlingswirtschaft" bei der Arco

Impression von der Kunstmesse Arco 2019
Foto: Courtesy Ifema

Impression von der Kunstmesse Arco 2019

Ein spanischer Galerist hatte die Kunstmesse Arco in Madrid wegen intransparenter Auswahlkriterien verklagt. Ein Gericht gab ihm nun Recht

Die Kunstmesse Arco in Madrid öffnet ihre Tore von Mittwoch bis Sonntag dieser Woche und zeigt in diesem Jahr mehr als 1.350 Künstler bei 209 teilnehmenden Galerien aus 30 Ländern. Um die 100.000 Besucher werden erwartet. Doch bereits vor dem Start hat die Arco ihren ersten Skandal, bei dem es um Intransparenz und Unregelmäßigkeiten im Auswahlprozess ihrer Galerien geht und der den Ruf der Messe gefährdet.

Wie die großen spanischen Zeitungen "El Pais" und "El Diario" titelten, hat das Provinzgericht Madrid die aus verschiedenen öffentlichen Trägern bestehende Messegesellschaft Ifema mit ihrer Kunstmesse Arco wegen eines illegalen Systems bei der Auswahl von Messeteilnehmern verurteilt. In der Urteilsbegründung finden sich Begriffe wie "herrschende Undurchsichtigkeit und Günstlingswirtschaft".

Das Urteil gab einem Galeristen recht, der von der Ausgabe 2016 ausgeschlossen wurde und geklagt hatte. Der Vorwurf: Internationale Galerien dürften nur aus Prestige-Gründen teilnehmen, ohne in einem Bewertungssystem bestehen zu müssen. Aber auch andere, die als Mäzene direkten Zugang zu den Mitgliedern der Jury hatten, seien bevorzugt worden. 

Klage wegen mangelnder Transparenz

Nun verurteilte das Gericht die Arco wegen Nichteinhaltung des Gesetzes zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Verstöße sah es vor allem bei den Grundsätzen der Öffentlichkeit, des Wettbewerbs, der Gleichheit, der Transparenz, der Vertraulichkeit und der Nichtdiskriminierung.

Der klagende Eigentümer der Galerie My Name's Lolita Art, Ramón García Alcaraz, wurde bereits 2007 während des Auswahlverfahrens von einer weiteren Teilnahme an der Arco ausgeschlossen, nachdem er zuvor 17 Jahre dort ausgestellt hatte. 2015 entschied er, sich wieder zu bewerben, wurde aber nicht zugelassen. Das Gleiche geschah auch in den Folgejahren. Angesichts seiner Absage durch das Organisationskomitee reichte er wegen "mangelnder Begründung und Transparenz" Klage ein.

Für ihn hatte die Ablehnung nach eigener Aussage eine Reihe von "Kollateralschäden" hervorgerufen, wie den Verlust von Sammlern und die Schwierigkeit, an anderen internationalen Messen teilzunehmen. Bei der Arco habe man lediglich auf ein Punktesystem verwiesen. Demnach hatte der Galerist nicht die erforderliche Punktzahl und rangierte dabei am Ende auf Platz 247 von 258 Bewerbern. Eine genauere Begründung verweigerten die Messeleitung und die Mitglieder des Komitees.

"Unmöglich zu wissen, ob fair beurteilt wurde"

Der Galerist wusste also nicht, was die einzelnen Mitglieder der Jury gewählt hatten, oder nach welchen Kriterien er bewertet wurde. Daher urteilten die Richter, dass es "bei den wenigen Informationen, die dem Kandidaten gegeben wurde, für ihn unmöglich ist, zu wissen, ob sein Projekt fair beurteilt wurde".

Bereits im November 2018 wurde der Fall erstinstanzlich vor dem Gericht in Madrid verhandelt. Mit dem zweitinstanzlichen Urteil ist diese Entscheidung jetzt bestätigt worden und rechtskräftig, da die Arco auf ihr Recht verzichtet hat, beim Obersten Gerichtshof Berufung einzulegen. Die Messe trägt die gesamten Kosten des Verfahrens und dem Galeristen wurde die Möglichkeit eingeräumt, Schadenersatz zu verlangen - worauf dieser jedoch verzichten will. Was passiert also jetzt?

Die Strafe für die Arco ist gewissermaßen die Pflicht zur Schaffung von Transparenz. Passiert das nicht, drohen Strafen. Bisher vergab jedes Mitglied des Auswahl-Komitees der Messe unabhängig seine Punkte, es gab keine Debatte oder Beratung; alles beschränkte sich auf eine Einzelabstimmung, wobei nicht festgehalten wurde, wie die einzelnen Ausschussmitglieder abgestimmt hatten. In diesem Punkt gelobte die Arco schon Besserung, sodass "im Hinblick auf das Ergebnis, nach jedem Mitglied des Organisationskomitees aufgeschlüsselt wird" und zur Wahrung von Klarheit und Transparenz dies jede Galerie zukünftig anfordern kann.

Kriterien müssen besser erklärt sein

Jedoch hat der Prozess auch gezeigt, dass es keinen stichhaltigen und verlässlichen Kriterienkatalog zur Auswahl von Galerien gibt, der das Gericht überzeugte. Hier sollte die Messeleitung also noch eher ansetzen und der Fachöffentlichkeit lieber das Punktesystem mit seinen zugrunde liegenden Kriterien besser erklären, als den "Schwarzen Peter" formal an die Mitglieder des Auswahl-Komitees weiterzureichen.

Denn interessierte Galeristen sind heute mehr denn je auf gut funktionierende Messen angewiesen, um am Markt weiterhin bestehen zu können. Mehr Transparenz könnte sie also in die Lage versetzen, ihre Bewerbung in schwierigen Zeiten zu optimieren, um ihre Erfolgsaussichten für eine Teilnahme zu erhöhen.

Heikel empfand das Gericht aber auch den Punkt, dass es trotz Wettbewerbsregeln stimmberechtigte Galeristen im Komitee gab, die selbst an einer Messepräsenz interessiert waren und für ihre eigene Teilnahme votierten. Ein Umstand, dem man leicht aus dem Weg gehen kann, wie die vorherrschende Meinung von Groß-Galeristen zeigt. "Komitees sollten sich generell für alle Marktteilnehmer oder Interessenten öffnen", so Raphael Oberhuber von KOW Berlin/Madrid, der an der diesjährigen Arco teilnimmt. "Wie bei der Art Brüssel wäre es ein guter Ansatz, Kuratoren oder zum Beispiel auch Sammler in einer Auswahl-Jury einzubinden."

Erinnerung an vergangene Fälle

Was also tun? Der Klageweg ist steinig und hat in der Regel selten zum Erfolg geführt. Das sieht auch der klagende spanische Galerist so, der im Urteilsspruch zwar mehr eine moralische Überlegenheit für seine Künstler und sich sieht, aber sich keiner Illusion hingibt, in Zukunft noch einmal teilnehmen zu können. Das Ganze erinnert an Beispiele aus der Vergangenheit. Wie das von Mark Müller aus Zürich, der seine Teilnahme an der Art Basel 2015 aus ähnlichen Gründen zwar einklagen konnte und dann teilnahm, aber in den Folgejahren nie wieder berücksichtigt wurde. Oder an 2011,
als Judy Lybke und seine Galerie Eigen + Art von einer sechsköpfigen Art-Basel-Jury aus Mitbewerbern (davon drei aus Berlin) vor die Tür gesetzt wurde.

Am Ende bleibt zu hoffen, dass alle Beteiligten im Sinn der Sache an einem Strang ziehen. Und so war es am Ende vielleicht doch nur wieder das große Säbel-Rasseln. Oder der Kampf David gegen Goliath. Jedenfalls ist die Arco bereits jetzt um einen Skandal reicher.