In Hamburg-St. Pauli schlägt Michael Beutler große, schmiegsame Wellen

Die Hausnummer 83 der Reeperbahn liegt zwischen „24 hour shopping“ und „Original Türkisch Döner“, die fernsehbekannte Davidwache ist nicht weit. Wer hier klingelt und das richtige, vorher per E-Mail erkundete Losungswort (www.ferein.net) in die Gegensprechanlage sagt, landet im Kunstverein St. Pauli. Hausherren und -damen sind junge Künstler, vorwiegend Exilbraun- schweiger, die seit zwei Jahren sich selbst, Freunden und deren Freunden eine nicht kommerzielle Ausstellungsplattform bieten. Nun ist die Freundeskette bei Michael Beutler angekommen, einem jungen wie international gefragten Bildhauer mit Wohnsitz in Berlin.

 

Und da Michael Beutler keiner ist, der einfach kommt, seine Skulpturen aufstellen lässt und wieder verschwindet, ist er genau der Richtige für diese zum Kunstverein umfunktionierte Bürowohnung in St. Pauli. Knapp eine Woche hat er vor Ort überlegt, geplant, geschnitten, geklebt und Farbe verteilt. Entstanden ist dabei eine Farblandschaft aus Quadraten mit einem Meter Kantenlänge aus Wellpappe, die den Ausstellungsraum in weichen Wellen auskleiden: alles Handarbeit, natürlich. Blaue, grüne, gelbe, weiße , pink- und orangefarbene Quadrate schmiegen sich so vom Boden bis zur Decke, von Wand zu Wand weich aneinander. Dazu einige in den St.-Pauli-Farben Braun und Weiß – schließlich ist man nur einen Steinwurf vom Millerntor-Stadion entfernt.
 

Mittendrin zeigt sich ein kleiner Schlitz, der in einen Nebenraum führt: Hier steht wie zum Beweis eine der aus schlichtem Bauholz gefertigten beutlerschen Farb- und Kleistermaschinen im Halbdunkel, mit denen er die Quadrate eines nach dem anderen gefertigt hat; die Farbe trocknet gerade an. Einziger Nachteil dieser überaus sanften, zurückgenommenen und dabei farbenprächtigen Rauminstallation: Wieder unten auf der Reeperbahn angelangt, hält man die verzweifelt Betrunkenen, die schier vor Testosteron berstenden Jungmänner und die sich aneinanderklammernden Touristen für noch freudloser als vorher schon.

Kunstverein St. Pauli, Hamburg, 17. Januar bis 31. Januar