Philippe Parreno im Palais de Tokyo

Heimspiel in Paris

Dass ein Künstler ein Ausstellungshaus „bespielt“, wie es immer so kindlich-harmlos heißt, ist nichts Ungewöhnliches, sondern der Normalfall. Dass man ihm dabei künstlerisch freie Hand lässt, im Zweifel aber auf Verwaltungsvorschriften, Brandschutz und andere Gesetze verweist, die dem Museum die Umsetzung seiner verrückten Ideen leider, leider unmöglich machten – Routine. Nicht so im Palais de Tokyo. Die Pariser Institution befand sich zuletzt im Umbau. Philippe Parreno darf sie nun für seine Retrospektive komplett übernehmen und sogar in die Architektur des Gebäudes eingreifen. Wird man es hinterher noch wiedererkennen?

Das Medium des 1964 in Oran, Algerien, geborenen Franzosen ist die Ausstellung als solche. Anstatt Werke zu einer Schau zusammenzutragen, ist für Parreno die Schau selbst das Werk. Dabei sind es oft die Bilder der Massenmedien Kino, Comic und Werbung, die er ins Museum holt und in raumgreifende Installationen übersetzt. Eine wichtige Rolle räumt er darin dem Faktor Zeit ein. So bewegten sich die Besucher seiner Präsentation in der Londoner Serpentine Gallery 2010 in dem Tempo von Raum zu Raum, das ihnen Parreno mit Bild und Ton vorgab; der Künstler als Dirigent, der alle technischen Mittel der Gegenwart ausschöpft, inklusive Spezialeffekten. Gemeinsam mit Douglas Gordon drehte er 2006 „Zidane – Ein Porträt im 21. Jahrhundert“ über den französischen Fußballstar, den sie während der 90 Minuten eines Matchs von 17 Kameras beobachten ließen. Der Film „Marilyn“ von 2012 nimmt die Perspektive der Schauspielerin Monroe ein, deren computergenerierte Stimme aus dem Off zu hören ist – das sei der Versuch, einen Geist zu porträtieren, sagte Parreno selbst über die Arbeit, die in Paris zu sehen ist.

Ob die Schau nun ein echtes Gesamtkunstwerk ist oder doch nur eine weitere Retrospektive eines ambitionierten Künstlers? Für Parreno ist sie jedenfalls ein Heimspiel. Er lebt nicht nur seit Langem in Paris, sondern studierte auch 1988 bis 1989 am Institut des hautes études en arts plastiques, das sich damals an demselben Ort befand, wo der bald 50-Jährige in diesem Herbst sein gesammeltes Schaffen zeigt – im Palais de Tokyo.

„Philippe Parreno – Anywhere, Anywhere Out of the World“, Palais de Tokyo, Paris, bis 12. Januar 2014