Wirbel um KaDeWe-Werbung

Einfach mal aushalten

Schaufenster des Luxuskaufhaus KaDeWe mit einem Bild von "taz"-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah
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Schaufenster des Luxuskaufhaus KaDeWe mit einem Bild von "taz"-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah

Das Berliner Kaufhaus KaDeWe wirbt mit der umstrittenen Journalistin Hengameh Yaghoobifarah – und alle flippen aus. Dabei zeigt dieser Fall wieder einmal, wie souverän der Kapitalismus jeden Widerspruch integriert

Es klappt nicht oft, dass eine Werbekampagne eines Kaufhauses sowohl in der "Bild" und der seriösen Tagespresse als auch in linken und rechten Social-Media-Blasen rauf und runter diskutiert wird. Insofern hat das Berliner KaDeWe mit seiner aktuellen Schaufensterdekoration schon mal einen Hit gelandet. Zu sehen ist die Journalistin Hengameh Yaghoobifarah, die vor einigen Wochen mit einer etwas verrutschten satirischen Kolumne über Polizisten und Abfall für heftige Diskussionen bis in höchste politische Kreise sorgte und die "taz"-Redaktion in die Selbstzerfleischung trieb.

Yaghoobifarah, die sich selbst als nicht-binär identifiziert, sitzt im Marni-Ledermantel (Kostenpunkt 3900 Euro), Ankle Boots (459 Euro) und schick ondulierten Locken in leicht provokanter Mafia-Boss-Haltung auf einem Ledersessel. Ihre Beine praktizieren souveränes Manspreading, ihr Blick sagt unmissverständlich: Don’t fuck with me. Der Text, der das Bild begleitet, ist allerdings nicht Mafia, sondern Marx: "Alles allen!"

"Offenbar sind heutzutage noch nicht mal Luxuskaufhäuser safe spaces für kommunistische Propaganda und Adipositas", kommentierte Yaghoobifarah die Kampagne ironisch auf ihrem Instagram-Account. Ein Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hüpfte brav über das hingehaltene Stöckchen: Er sei entsetzt über die Botschaft des KaDeWe, die Kollegen zu Recht als Sauerei empfinden, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro der "Bild". Er wollte nicht "dort einkaufen, wo man die Beleidigung von Polizisten billigt." Von Seiten der Linken gab es ähnlich harsche Reaktionen á la: Wie kann man sich für kritisch halten und sich dann dem Kapitalismus ergeben?

Dass der Kapitalismus nur allzu gern das Bild von Diversität zu Werbezwecken einsetzt, wissen wir, seitdem der Fotograf Oliviero Toscani die "Vereinigten Farben von Benetton" erfand – da war Yaghoobifarah noch nicht einmal geboren. Die Autorin ist nicht das einzige untypische Werbegesicht, das das KaDeWe beschäftigt. In dem aktuellen Prospekt für die Herbst-Wintersaison, fotografiert von Davit Giorgadze, sind keine professionellen Models, sondern Persönlichkeiten gecastet worden, darunter auch Menschen mit Falten und grauen Haaren und einer breiteren Taille, die Aktivistin Aaliyah Adeyemi und der queere Influencer Theo Vanity, auch die Künstlerin Flaka Haliti ist dabei (Marni Bluse, 980 Euro).

Das Porträt von Yaghoobifarah aber ist mit Abstand das eindrücklichste – was definitiv für ihr Charisma spricht. Und für das beworbene Unternehmen nimmt ein, wie es auf die harsche Kritik reagierte. "Das KaDeWe toleriert andere Meinungen, auch wenn wir sie nicht immer teilen. Wir alle halten das aus", hieß es in einem Statement der Pressestelle.

So weit ist es also gekommen: Die aufgepeitschte Debatten-Meute muss sich von einem Luxuskaufhaus vormachen lassen, andere Meinungen zuzulassen. Es ist geradezu frustrierend, wie souverän der Kapitalismus mal wieder jeden Widerspruch in sein System integriert. "Wir alle halten das aus" ist ein Satz, den man viel öfter äußern sollte. Und hoffentlich nicht nur aus Imagegründen.