MMK / Städel Museum

"Ich nenne es Montage" Peter Roehr in Frankfurt

Auf einem weißen Blatt Papier steht 192 mal das Wort "Kunst", getippt mit einer Schreibmaschine. Die Bedeutung löst sich in der Wiederholung auf: Sprache wird Struktur, jede individuelle Geste ausgelöscht. Es scheint der einfachste Weg zu sein, der Kunst jede Aura zu entziehen und die Idee des Künstlers als genialen Schöpfer über Bord zu werfen.

 

40 Jahre ist es her, da produzierte der Frankfurter Peter Roehr ein Werk mit bestechenden Reduktionen: "Ich montiere vorhandene Dinge jeweils gleicher Art zueinander, das können sein: Gegenstände, Fotos, Lettern, Texte, Töne und Klänge, Filmmaterial usw. Die Ergebnisse nenne ich Montagen." Zwischen 1962 und 1967 schuf der Künstler am Küchentisch seiner Mutter 600 solcher Arbeiten. 

 

Alle Elemente seiner seriellen Formationen sind identisch. Die maschinell hergestellten Produkte und Medienschnipsel, die er für seine Arbeit benutzte, spiegeln die Massenfabrikation der Wirtschaftswundertage. Peter Roehr strebt nach dem, was Roland Barthes 1968 als "Tod des Autors" bezeichnet. Doch nicht in Köln,  Düsseldorf oder New York, sondern entfernt vom Kunstgeschehen, in Frankfurt am Main, arbeitet er wie ein Besessener mit Alltagsgegenständen. Nicht mal er selbst scheint zu wissen, dass das, was er macht, Kunst ist: "Andererseits wüsste ich aber auch nicht, was es sonst sein könnte."

 

Roehr wurde krank, starb im Alter von 23 Jahren und blieb nur Wenigen durch seinen damaligen Freund Paul Maenz, dem Kunstsammler und Nachlassverwalter seines Werkes, im Gedächtnis.

 

Die Wiederentdeckung des Außenseiters gelingt nun im Frankfurter Städel Museum und im Museum für Moderne Kunst (MMK). Insgesamt 100 Arbeiten aus öffentlichen und privaten Sammlungen wurden für "Peter Roehr - Werke aus Frankfurter Sammlungen" zusammengetragen. Allein die Tatsache, dass so unterschiedlich ausgerichtete Museen gemeinsame Sache machen, lässt Außergewöhnliches vermuten: Das Städel präsentiert gewöhnlich alte Meister, das MMK Gegenwartskunst.

 

Im Städel ist Roehr der Minimal Artist, hier wird auf die Objektmontagen fokussiert. Im Kabinett hängt ein bislang ungesehenes Hauptwerk des Künstlers. Seine letzten Bilder, die zehn "Schwarzen Tafeln" (1966), wurden kürzlich vom Museum aus der Sammlung Maenz angekauft.


Jede der 1,19 mal 1,19 Meter großen quadratischen Tafeln, die sich jeweils aus 35 unbeschrifteten Preisschildern zusammensetzen, gleicht der anderen - die Wiederholung im Bild wird auf den Raum übertragen. Roehr scheint in dieser Installation alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben, "Inhalt und Form sind deckungsgleich."

 

Den Weg dorthin zeigen die frühen Zufallsbilder aus hingeworfenen Reiskörnern, die Konservendosen mit unerwünschten Gebrauchsspuren, die Buchstaben und Textfetzen, die erst mit der mechanischen und später mit einer elektronischen IBM-Schreibmaschine getippt wurden.

 

Im MMK dann eine andere Lesart: Roehr als Pop-Künstler. Das scheint keine große Überraschung, auch Florian Illies hat in seinem Roehr-Porträt Warhols serielle Siebdrucke mit Roehrs Fotomontagen verglichen (siehe Monopol 02/2008). Doch die Präsentation im MMK geht darüber hinaus: In den wiederholten Motiven aus Werbeprospekten der Automarke VW und des Kaffeeherstellers Maxwell erkennt man selbst bei Peter Roehr durchaus  einen kompositorischen Formwillen. Sein Montageprinzip wird zum subjektiven Gestaltungsmittel. Die Auswahl des Bildausschnittes entscheidet über die Wirkung des Bildganzen. Der Künstler als Autor ist in diesen Arbeiten alles andere als tot.

 

Damit der Revision nicht genug:  Erstmals wird der Künstler im großen Rahmen als Experimentalfilmer gewürdigt. Eigens für die Ausstellung wurden seine 22 Filme mit Ausschnitten aus Werbefilmen der Agentur Young and Rubicam restauriert. Doch statt im originalen 16mm-Format zeigt das MMK die kurzen Schwarz-Weiß-Loops digital verflacht, ohne ratternden Projektor - was nicht recht zum Handwerker Roehr passt. Auch die Analyse der Filme im ansonsten gelungenen Katalog wurde vernachlässigt.

 

Durch die sechs- bis 14-fache Wiederholung der immergleichen Szenen von fahrenden Autos auf Highways, schönen Frauen mit noch schönerer Haarpracht nimmt der Künstler den selbstreflexiven Kerngedanken des Experimentalfilms auf: Was ist ein Film, wie entsteht das bewegte Bild? Der Theoretiker Gilles Deleuze bestimmt Montage als Wesensmerkmal des Films, Peter Roehr nutzt sie, um die Illusion von unendlicher Bewegung vorzutäuschen oder eben zu brechen. Die konsequente Wiederholung erfährt gerade in seinen Filmen einen Höhepunkt.

 

 

Die Ausstellung "Peter Roehr - Werke aus Frankfurter Sammlungen" ist bis zum 7. März im Städel Museum und im MMK, Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main, zu sehen. Mehr Informationen unter www.staedelmuseum.de und www.mmk-frankfurt.de