Vater-Darstellungen

Vorbild, Feind, Familienmensch

Eugène Delacroix "Die Natchez"

Eugène Delacroix "Die Natchez"

Am Vatertag feiern Männer sich selbst und ihre Rolle in der Familie. Doch wie steht es um die Väter in der Kunst?

Über die Straße weht der Wind Lärm aus der Ferne her. Feiertagsbedingt ist der Verkehr beruhigt. Am Horizont erscheint ein kutschenähnliches Monstrum, schleppt sich durch die Stadtlandschaft. Unter grölendem Gesang entpuppt sich die Mensch-Maschine als Thekenfahrrad – besser bekannt als: "Bierbike" oder "Biercycle".

Eindrücke wie diese erschweren es massiv, Wohlwollen aufzubringen für den Tag, an dem die selbsternannten "Herren der Schöpfung" sich selbst feiern. Insgesamt kommt der sogenannte Vatertag – im Vergleich beispielsweise zum deutlich positiver konnotierten Muttertag – nicht gut weg: Das Bundesverwaltungsgericht hat Bierbikes auf öffentlichen Straßen verbieten lassen, Unfallzahlen klettern jährlich auf ein Festtags-Hoch.

Volkstümlich fällt der Vatertag in Deutschland mit der biblischen Erzählung von der Rückkehr Jesu Christi als Sohn Gottes zu seinem Vater in den Himmel zusammen. Damit war auch die allgemeingültige Repräsentation des "Vaters" jahrelang in einen Kontext eingebettet: "im Namen des Vaters, des Sohnes" und irgendwas dazwischen.

Madonna mit Kind – das Marienbildnis – ist durch die christliche Ikonografie in die Kunstgeschichte eingraviert: Als Skulptur, Bleiglasfenster oder Gemälde wiederholt sich die Darstellung dieser Ur-Mutter über die gesamte Welt verteilt. Männer hingegen haben sich das Recht erteilt, alle anderen Narrative und Rollen zu besetzen: als Heiliger, Herrscher, Retter und Kämpfer, Gelehrter, Asket oder alles, was geht. Heroische und diabolische Männerfiguren finden sich als altägyptische Schreiberfiguren, auf etruskischen Vasen und in der gesamten Geschichte der Porträtmalerei wieder.

Der frühe Vater fing das Wild

Zu den ersten Männerdarstellungen, in der auch (!) eine biologische Vaterrolle kenntlich wird, gehört das Altarbild eines ägyptischen Schreins: Echnaton, Nofretete und drei ihrer Töchter unter dem Strahlenaton. Das Relief zeigt Echnaton seiner Frau fast auf Augenhöhe gegenübersitzend, eine der Töchter im Arm. Unterbrochen wird dieses beinahe informelle Familienbildnis, indem die übrigen Familienmitglieder der Physiognomie Echnatons angepasst sind. Im Zuge der profunden Reformen Echnatons wurde beispielsweise die Götteranbetung auf einen einzigen Gott konzentriert – den Sonnengott Aton, dessen nächste Anbeter und Vertraute der König und seine Familie waren. Früh manifestierte sich das Konzept, von den Vätern erbe man eine gesellschaftliche Rolle und daran gebunden bestimmte Rechte und Pflichten. Fürsorge und emotionale Bildung erfuhr man von der Mutter.

Zu den bevorzugten Selbstdarstellungen der Männer (Heiliger, Herrscher, Retter, usw.) gesellte sich bald eine neue Rolle: das Genie der Künstler. Durch die Renaissancemalerei erfuhren individuelle Figuren eine Hochphase. Selbstbildnisse, Studien und Porträts stellten einzelne Menschen und Familien ins Zentrum – unter ihnen eben auch Väter. Zwar stand die väterliche Rolle an sich nur selten im Vordergrund, aber immerhin waren viele der porträtierten Männer "nebenbei" Väter, wie bei Albrecht Dürer und Domenico Ghirlandaio oder in den Familienporträts von Diego Velázquez und Anthonis van Dyck.

Moderne statt Vermodern!

Eine oft zitierte Formel Platons aus dem Dialog "Protagoras" verkündet, dass die Söhne guter Maler selbst keine guten Maler werden könnten. Familie Bruegel, Familie Cranach und Familie Geiger sind nur ein Bruchteil der Künstlerdynastien, die das Gegenteil bewiesen haben. Noch einen Schritt weiter ging der Genueser Maler Luca Cambiaso mit der um das Jahr 1570 bildgewordenen Gegenthese zu Platon: "Selbstbildnis mit Porträt seines Vaters". Darstellungen wie diese statuierten in der Renaissance ein alternatives Geniekonzept, von dem sich das schöpferische Talent des Künstlers genealogisch ableiten ließe. Und diese Idee setzt sich bis heute fort: In der zeitgenössischen Begabtenforschung wird mit akademischen Mitteln dem nachgegangen, was der Maler Neo Rauch in einem Interview einst "genetische Disposition" nannte.

Mit dem Paradigmenwechsel, den die Moderne in der Kunst ausgelöst hat, veränderte sich auch die Rolle des Mannes und des Vaters. Wahlverwandtschaften und emotionale Verbindungen rückten mehr und mehr in das Bewusstsein – Matisse und Picasso nannten Paul Cézanne "unser aller Vater".

Auflehnung wider Willen

In der Gegenwartskunst beschäftigen sich Künstlerinnen und Künstler punktuell mit ihren eigenen Vätern, der Rolle des Vaters oder genetischen Dispositionen im Allgemeinen. Wissenschaftliche Erkenntnisse und eine kritikfreundlichere Umgebung ermöglichen es, Väter zu feiern, zu kritisieren oder zu verleumden. Klassische Hierarchien werden entweder abgelöst oder reflektiert und thematisiert. Der vietnamesische Künstler Danh Vo hat für seine Arbeit "2.2.1861" seinen Vater Phung Vo den letzten Brief des französischen Heiligen Théophane Vénard handschriftlich hundertfach transkribieren lassen. Ursprünglich verfasste Vénard den Brief kurz vor seiner Enthauptung an seinen eigenen Vater. Titel und Auflage der händischen Kopien bleiben bis zum Tod von Phun Vo undefiniert.

Der deutsch-amerikanischen Künstlerin Kiki Smith wird aufgrund ihrer Sujets und Materialien oft eine Auflehnung gegen ihren Vater Tony Smith unterstellt, der selbst Künstler war. Der Wegbereiter des skulpturalen Minimalismus, befreundet mit Künstlergrößen wie Barnett Newman, Jackson Pollock oder Mark Rothko, konnte noch so sehr um die individuelle Förderung seiner Töchter bemüht sein: Vergleichen und Gegenüberstellungen "von außen" können sie sich nicht entziehen. Ob und inwieweit diese berechtigt sind, liegt dann auch nicht mehr in ihrer Macht.

"Scheitern als Chance"

Das Aufkommen von Gender Studies und die allmähliche Infragestellung binärer Geschlechterkonstruktionen befeuert die traditionelle Rolle des Mannes und damit auch des Vaters. Man spricht von der "Krise des Mannes" und maskulinistische Gegenentwürfe zur Frauenbewegung fordern Männerquoten, aus Angst wir leben ab morgen plötzlich im Matriarchat. Nach mehreren Jahrtausenden der Geschichtsbildung lässt sich aber resümieren: Es wurde großer Mist gebaut. Die Krise des Mannes ist eine sehr berechtigte Krise und die soziohistorisch begründete Kritik an der traditionellen Rolle von Männern und Vätern ist allemal angebracht.

Aber wie auch immer geartet: Wir hängen an unseren Vätern. Trotz aller Mängeln, mit allen Fehlern und Lastern bleiben sie dennoch Freund und Vorbild. Vielleicht lassen wir uns an dieser Stelle und in diesem gesellschaftlichen Wandlungsprozess von der Schlingensief’schen Formel für Zuversicht leiten und sehen diese Krise als Resultat des Scheiterns. Und das Scheitern als Chance.