Eve Sussman auf der Berlinale

Im Rhythmus des Algorithmus

Vielleicht geht die Geschichte so: Mr. Holz ist Geophysiker, ein unauffälliger Mann mit Oberlippenbart und Brille. Wenn Holz nicht in seinem altmodisch eingerichteten Büro sitzt, streift er durch eine verwitterte Metropole namens A-City, im Auftrag einer geheimnisvollen Firma, die die ganze Stadt beherrscht.

Am Eingang des Arsenal-Kinos, in dem das Werk „whiteonwhite: algorithmicnoir“ zu sehen ist, sind Hinweise angebracht. Zu erfahren ist etwa, dass die Länge des Films ganz vom Betrachter abhänge. Man dürfe anfangen und herausgehen, wann man will. Und: Der Film wiederhole sich nie.

Die US-Künstlerin Eve Sussman begann ihre Zusammenarbeit mit der Rufus Corporation – einem Ad-hoc-Ensemble von Performern und Musikern –  im Jahr 2003. Die gemeinsamen Filme und Videoarbeiten sind inspiriert von Malern wie Diego Velásquez oder Jacques-Louis David. Für „whiteonwhite“, basierend auf Ideen von Kasimir Malewitsch, konstruierte Rufus Corporation eine Art Filmschnitt-Roboter. An der Seitenwand des Projektionsraums zeigt ein Monitor an, wie die Erzählmaschine arbeitet: Ein Computerprogramm wählt anhand von Schlüsselbegriffen aus 3000 in Zentralasien gefilmten Clips aus, kombiniert die Zufallssequenzen mit insgesamt 80 Voice-Over-Kommentaren und 150 Musikstücken.

Das Ergebnis ist ein faszinierender und überaus stimmungsvoller Versuch über Zufall und Schicksal. Die Figur des Holz' – halb Film-Noir-Held, halb Opfer einer undurchschaubaren Intrige – ist von dem Konzern, der ihm über eine mysteriöse Agentin namens Dispatcher Befehle erteilt, ebenso abhängig wie sein Geschick vom Algorithmus des Computers bestimmt wird.

Auf dem sonstigen Programm der 62. Berlinale stehen Filme, deren Schnitt noch von Filmemachern aus Fleisch und Blut bestimmt worden ist. Sieht die Zukunft des Kinos so aus wie bei Sussman? Erstaunlich ist die Plausibilität ihres Films, der organische Fluss der Bilder. Man möchte „whiteonwhite: algorithmicnoir“ lange betrachten. Auf dem Forum Expanded geht das leider nicht, weil dem Zuschauer nur ein Zeitfenster von 120 Minuten gewährt wird.

Noch bis 19. Februar, täglich 16 bis 18 Uhr im Arsenal 2