Interview mit Adam Szymczyk

"Es ist nötig, sich gegen reaktionäre Tendenzen zu positionieren"

Der ehemalige Documenta-Kurator Adam Szymczyk hat mit Studierenden in Leipzig eine Ausstellung konzipiert, die den Bogen von der NS-Zeit bis heute schlägt. Ein Gespräch über politische Kunst und die Rückkehr nach Kassel

Der Kurator und künstlerische Leiter der Documenta 14, Adam Szymczyk, hat mit Studierenden an der Leipziger Kunsthochschule ein Projekt realisiert, das als Antwort auf die Diskussion um die Weltkunstschau von 2017 gelesen werden kann. Dabei wird eine Verbindung von der Ausstellung "Entartete Kunst" des NS-Regimes über die politischen Brüche der Wendezeit bis heute untersucht. Im Interview spricht Adam Szymczyk über den Sprach- und Bildgebrauch der Nazizeit, den Ausdruck "entstellte Kunst", der in der Diskussion um Olu Oguibes Obelisken in Kassel von der AfD gebraucht wurde, und die Frage, warum Kunsthochschulen die bessere Ausstellungsplattform sind.

Adam Szymczyk, Mitte Dezember 2019 eröffnete in der Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig  die Präsentation des Ausstellungsprojektes "1937 – 2017: Von Entarteter Kunst zu Entstellter Kunst", das Sie initiiert haben. Der Titel wirft viele Fragen auf. Zunächst erscheint die gewählte Zeitspanne von 80 Jahren sehr lang. Wo sehen Sie Parallelen zwischen 1937 und 2017?

Ich verstehe den Zeitabschnitt weniger als Periode, sondern als Bogen zwischen diesen beiden Daten, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Das Projekt in Leipzig versucht, die mögliche Verbindung zwischen diesen beiden Jahren herauszuarbeiten. Die Ausstellung "Entartete Kunst" von 1937 hat Kunstgeschichte geschrieben und damals unter anderem im Grassi Museum in Leipzig Station gemacht. Sie wurde in Rekordzeit vorbereitet und war ein großer Erfolg, ein Blockbuster. Ich habe angefangen, über diese Ausstellung nachzudenken, als die Künstlerin Miriam Cahn, die an der Documenta 14 teilnahm, mir den Ausstellungkatalog zeigte.

Wie kam es dazu?

Ihr Vater hatte die Ausstellung besucht und den Katalog gekauft. Er hatte auch das Ticket und ein Flugblatt für ein "Bildtelegramm" aufgehoben, mit dem man selbst gewählte Bilder über weite Strecken im gesamten Gebiet des Deutschen Reichs verschicken lassen konnte. Es scheint, als hätten die Nazi-Organisatoren im Hinblick auf die Verbreitung der Ausstellung proto-digital gedacht. In diesem Moment wurde mir klar: Die Ausstellung war ein Event, ein Spektakel, das vermarktet wurde. Viele haben die Ausstellung damals sicher auch besucht, weil sie die Avantgardekunst mochten und es die letzte Chance war, diese Kunst zu sehen – unter ihnen auch der Vater von Miriam Cahn. Ich habe erneut angefangen darüber nachzudenken, als im Zusammenhang mit der Documenta 14 im Jahr 2017 die Formulierung "entstellte Kunst" auftauchte. Eine Art 2.0-Version des Terminus "entartete Kunst".

Bildtelegramm

Flugblatt für ein "Bildtelegramm", mit dem man Bilder über weite Strecken im gesamten Gebiet des Deutschen Reichs verschicken lassen konnte


In der Debatte um den Verbleib des Obelisken von Olu Oguibe auf dem Kasseler Königsplatz hatte ein AfD-Stadtverordneter das Werk und andere der Documenta 14 als "ideologisch polarisierende, entstellte Kunst" bezeichnet.

Das ist typisch für die "Pseudo-Political-Correctness" im rechten Sprachgebrauch. Sie würden nicht von "entartet" sprechen. Aber Rhythmus und Struktur wie auch die Bedeutung des Wortes erinnern stark daran. Alle kennen den Ausdruck. Und es ist bekannt, wer ihn geprägt hat. Es ist mir egal, ob die Person ihn bewusst oder unbewusst verwendet hat. Fakt ist, dass der Ausdruck verwendet wurde, um ein mediales Echo zu provozieren.

Täuscht der Eindruck oder haben Sie sich in der Debatte sehr zurückgehalten?

Zu dieser Zeit wollte die Presse nicht mehr mit mir sprechen. Vor der Eröffnung der Documenta 14 konnte ich mich vor Interviewanfragen kaum retten. Als die Dinge zum Ende der Ausstellung komplizierter wurden, gab es nicht mehr so viele Anfragen. Die Debatte hatte ein Eigenleben entwickelt. Fakten wurden in den Medien geschaffen. Zudem sollten die Geschäftsführung und ich auf Bitten des Oberbürgermeisters ab einem bestimmten Zeitpunkt keine öffentlichen Statements mehr geben.

In der nun veröffentlichten Pressemitteilung der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig wurde ein Statement von Ihnen veröffentlicht. In diesem heißt es: "Dieser Satz forderte eine Antwort."

Ich wollte diese Aussage nicht auf sich beruhen lassen, sondern sie im Rahmen einer künstlerischen Aktion transformieren. Andernfalls wäre es unfinished business. Nicht, dass die Sache nun erledigt wäre. Im Gegenteil. Aber sie wird damit wieder geöffnet. Es ist wichtig, auf diesen Angriff auf die Kunst mit den Mitteln der Kunst zu reagieren.

Generiert nicht gerade das Aufgreifen des Terminus im Ausstellungstitel eine Aufmerksamkeit, die diesem Ziel entgegensteht?

Ich glaube, diese Form der Aneignung ist durchaus geeignet, um die Geschichte und die Bedeutungsebenen solcher Ausdrücke aufzuzeigen und somit zu entwaffnen. Die Formulierung wurde bereits öffentlich verwendet und ging durch die Presse. Sobald Sprache öffentlich wird, ist sie politisch. In einer Arbeit von Andrėja Šaltytė in der Ausstellung in Leipzig gibt es zwei Videos zu einer parlamentarischen Debatte in der Ukraine zur Frage, ob Minderheiten weiterhin Russisch sprechen dürfen. Im Rahmen des Projektes haben wir uns auch für die Sprache und das Design interessiert, dass die Nazis nutzten, um die Aussagen der Ausstellung "Entartete Kunst" zu verdeutlichen. Interpretationen standen als Text direkt an der Wand, als gäbe es nur eine denkbare Betrachtungsweise. Davon ausgehend haben wir uns gefragt, in welcher Norm-Welt wir heute leben und wie diese Normen beschrieben und hinterfragt werden können. Das drückt sich auch im Display der Ausstellung aus, das auf eine Idee von Christian Kölbl zurückgeht und mit der normierten Form von Euro-Paletten arbeitet, auf denen die Werke nun positioniert sind.

Ihre Arbeit mit den Studierenden begann vor einem Jahr mit dem Vorschlag, eine Brücke vom Sprach- und Bildgebrauch im öffentlichen Raum der Nazizeit zu aktuellen sozio-politischen und ästhetischen Diskursen zu schlagen.

Mein Vorschlag zielte vor allem darauf ab, auf die Gefahren der zunehmenden Macht des rechten Flügels aufmerksam zu machen. Als wir im Herbst 2018 begonnen haben, wurde dieses politische Erstarken erwartet und ist in gewisser Weise durch die letzten Wahlergebnisse bestätigt worden. Ich habe den Impuls gegeben und versucht herauszufinden, ob und wie die Studierenden für dieses Material interessiert werden können. In der aktuellen politischen Situation in Deutschland ist es nötig, sich als Künstlerin oder Künstler gegen diese reaktionären Tendenzen zu positionieren, die in weiten Teilen des Landes die Oberhand gewinnen. Von Beginn an war klar, dass zu diesen Aspekten künstlerische Arbeiten entstehen sollten.

Welche Arbeiten sind im Laufe der vergangenen Monate entstanden?

Es ist ein kollektiver Prozess gewesen und daher möchte ich keine einzelnen Positionen im Sinne einer Wertung herausstellen. Felix Almes hat nach den sächsischen Landtagswahlen 600 Wahlplakate gesammelt. Zeugnisse des Kampfes, in dem die Helden uns ihre Wahrheiten verkaufen und dann am Boden liegen, gezeichnet von Graffiti und Stickern im Gesicht, als hätten sie Wunden, die vom Kampf zeugen. Susanne Kontny hat über die vergangenen zwei Jahre die Pegida-Demos in Dresden filmisch begleitet.

Mit welchem Interesse?

Diese Demos sind öffentlich und legal. Auf der einen Seite steht ihr Interesse für die Dynamik dieser Menschenmenge und die Symbole und Zeichen, die sie trägt. Die Individuen werden Teil dieser Menge. In einer Slideshow sieht man Selbstdarstellungen von Menschen, die im Netz rechtsradikal motivierte Hate-Speeches äußern. Es sind Leute, die die Sprache der Xenophobie nutzen, sich gegen imaginäre Feinde des rechten Denkens richten und sich zugleich mit kleinen Katzen, Hunden, Autos und Kindern inszenieren. Es sind Klischees normaler Leute, die ihre Welt zeigen und mit dem Rest der Welt teilen. Das ist eine starke Arbeit, die deutlich macht, dass wir nicht nur über die Dynamik der Massen nachdenken müssen, sondern auch über die Individuen, die Teil davon sind und mehr oder weniger Bürgerinnen und Bürger wie wir.

Welche Rolle spielt Ihr eigenes Aufwachsen im Sozialismus für die Auseinandersetzung mit diesem Thema?

In Polen wurde der Faschismus in den 1970ern und 1980ern historisiert. Er war wie ein Märchen vom Teufel der Nazi-Zeit, der ausgelöscht wurde. Wir haben geglaubt, dass so etwas nie wieder passieren würde. Auf die Solidarność-Bewegung in Polen und die Perestroika in der Sowjetunion folgte der Mauerfall und die Systemwende für den kompletten Ostblock, inklusive der DDR, die übrigens bizarrerweise oft nicht als Teil des Sowjetblockes angesehen wird. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands ist ein Land von der politischen Landkarte verschwunden. Doch auch hier, vor diesem Fenster, aus dem wir gerade schauen, war der Sozialismus Realität. Heute macht es den Eindruck, als hätte es die DDR nie gegeben, obwohl sie bis heute erheblich zur Komplexität der Leipziger Kunst- und Kulturgeschichte beiträgt. Vielleicht hat diese Unterdrückung, Verurteilung und Löschung des gesamten Kapitels der jüngsten Vergangenheit des Landes viel mit dem gegenwärtigen Aufschwung identitärer und nationalistischer Tendenzen in Deutschland und insbesondere in den neuen Bundesländern zu tun.

Wird dies in der Ausstellung thematisiert?

Carsten Saeger und Frank Holbein thematisieren die Biografie von Rudolf Oelzner. Dessen formale Sprache als Bildhauer war sowohl mit den Anforderungen der Nazis konform wie auch mit dem neuen politischen System nach dem Zweiten Weltkrieg. Man kann die Systeme nicht gleichsetzen, aber Oelzners Fall verdeutlicht, dass man in beiden Systemen Karriere machen konnte. In Leipzig stehen bis heute einige seiner Skulpturen. Er hat auch an der Hochschule unterrichtet und Carsten Saeger möchte diese Zeit aufarbeiten.

Wie genau sah die Arbeit mit den Studierenden aus?

Im Laufe des vergangenen Jahres war ich häufiger in Leipzig. Ich habe Studierende getroffen, ihre Fragen beantwortet und mit ihnen über ihre Ideen gesprochen. Ich weiß nicht, wie ich diese Art des Lehrens beschreiben soll. Es ist eine Form der Konversation, in der ich versuche, den Austausuch mit einzelnen, der oft in Anwesenheit der gesamten Gruppe stattfand, exemplarisch für einen inhaltlichen Kontext zu nutzen, damit wir gemeinsam lernen, neulernen und auch verlernen. Wir haben zusammen Texte gelesen und über die Situation in Kassel gesprochen. Olu Oguibe war im Mai hier, um von seinen Erfahrungen mit dem politischen Schachspiel um den Obelisken zu berichten.

Wie haben Sie die Debatte um den Obelisken wahrgenommen?

Grundsätzlich mag ich den Gedanken eines reisenden Monuments. Doch dieser Obelisk hat sich bewegt, weil es ihm nicht erlaubt war, zu bleiben, wo er war. Das war ein Machtspiel der Stadt Kassel, die unter dem Deckmantel einer demokratischen Diskussion deutlich machen wollte, dass sie eigene Bedingungen diktieren kann.

Der Abbau des Obelisken erfolgte in den frühen Morgenstunden des 3. Oktober 2018, dem Tag der Deutschen Einheit. Das Datum gleicht einem performativen Akt der Stadt.

Es gab viele solcher Zufälle, die sicher keine waren. Dahinter stehen politische Entscheidungen, die darauf zurückzuführen sind, dass niemand Verantwortung übernehmen und sich klar für den Obelisken aussprechen wollte. Viele Dinge zum Ende der Documenta 14 wurden politisch zu riskant für die Parteien, die zum damaligen Zeitpunkt um Wählerstimmen gekämpft haben. Das war keine gute Zeit, um sich zu positionieren: Hätte man sich klar für den Obelisken ausgesprochen, hätte sich die Gegenseite automatisch dagegen ausgesprochen. Unter den Bedingungen des öffentlichen Diskurses gibt es im Hinblick auf Komplexität gewisse Grenzen. Dieser Fall ist sehr komplex. Es ging dabei auch immer um die inhaltliche Aussage des Obelisken, das Fremde oder die Fremden aufzunehmen. Der Umgang mit dem Oblisken verweist zudem auf das Thema NSU und auf die dadurch entstandene Wunde der Stadt, die vor Ort nicht verhandelt wird.

Schlussendlich wurde der Obelisk im April 2019 in der Treppenstraße wiederaufgebaut. Ein guter Kompromiss?

Die Treppenstraße führt zum Kulturbahnhof und zum Fridericianum und ist konform im Sinne der Ideen der Documenta-Stadt. Leider steht diese Position den Ideen, die in der Documenta 14 artikuliert wurden, komplett entgegen.

Inwiefern?

Vom polnischen Architekten und Stadtplaner Oskar Hansen war zum Beispiel ein nicht realisiertes Monument für Auschwitz ausgestellt, das er 1958 gemeinsam mit Jerzy Jarnuszkiewicz, Edmund Kupiecki, Julian Pałka, Tadeusz Plasota, Lechosław Rosiński und Zofia Hansen bei einem Wettbewerb eingereicht hatte. Dieses hätte die akkurate Anordnung der Baracken ignoriert und die Symmetrie des Ortes zerschnitten. Diese Herangehensweise wurde auch schon in der Arbeit von Natascha Sadr Haghighian für die Documenta 13 deutlich, für die sie einen Trampelpfad vom Palais Bellevue in die Karlsaue freigelegt hat, durch den die Trümmer des Zweiten Weltkriegs sichtbar wurden. Es gab einige Arbeiten in der Documenta 14, die die axialen Beziehungen in diesem Sinne aufgelöst haben, angefangen bei der Umbenennung der Holländischen Straße in Halit-Straße in Form einer Intervention auf der Ausstellungskarte von Rick Lowe. Den Obelisken auf der Treppenstraße zu installieren gleicht einer Entwaffnung des aktiven Monuments. Es hat nicht mehr die Kraft, Menschen zum Nachdenken zu bringen. Nun ist es ein Objekt auf der Promenade. Jetzt ist alles gut. Nach dem Motto: Es gab ein Problem, aber es ist gelöst.

Oskar Hansen, Jerzy Jarnuszkiewicz, Edmund Kupiecki, Julian Pałka, Tadeusz Plasota, Lechosław Rosiński, Zofia Hansen "The Road", Projektvorschlag für den internationalen Wettbewerb für ein Mahnmal für die Opfer des Faschismus in Auschwitz-Birkenau, 1958
Collection of the Museum of Modern Art in Warsaw

Oskar Hansen, Jerzy Jarnuszkiewicz, Edmund Kupiecki, Julian Pałka, Tadeusz Plasota, Lechosław Rosiński, Zofia Hansen "The Road", Projektvorschlag für den internationalen Wettbewerb für ein Mahnmal für die Opfer des Faschismus in Auschwitz-Birkenau, 1958

 


In der Leipziger Ausstellung sind nun auch Werke von Olu Oguibe und Henrike Naumann vertreten. Im Januar werden Dorota Sajewska und Artur Żmijewski einen Workshop halten – haben Sie diese Positionen ausgewählt?

Ja, diese Auswahl  habe ich getroffen. Es ist eine heterogene Kombination von geladenen Gästen. Ilse Lafer, die Leiterin der Galerie, die mich für das Projekt nach Leipzig eingeladen hat, hat Eiko Grimberg vorgeschlagen, der einen Talk über seine Arbeit zur Erforschung der Bildsprache der radikalen Rechten in Europa gehalten hat. Die Studierenden haben die Frankfurter Hauptschule eingeladen.

Wie würden Sie ihre Position in diesem Projekt beschreiben? Sind Sie Kurator, Initiator, Begleiter?

Im Rahmen der Documenta 14 habe ich viel darüber nachgedacht. Offiziell lautete mein Titel  "künstlerischer Leiter". Wenn es darum geht, Material in Ausstellungen zu organisieren, nutze ich gerne den Ausdruck "leiten", im Sinne eines Dirigenten, der ein Orchester zusammenhält. Es ist wie eine organisierte Improvisation. Kuratieren hat für mich nichts Diktatorisches oder Direktes oder Auktoriales. Mich interessiert hingegen, in einem Projekt unterschiedliche Ansätze, auch widersprüchliche Positionen zusammenzubringen und multiple Sichtweisen zuzulassen.

Werden Sie diesen Ansatz weiterhin an Studierende vermitteln? Sie unterrichten seit März 2019 auch an der Akademie der bildenden Künste in Wien.

Das Projekt "Principle of Equality – Open Studio" in Wien ist auf drei Jahre angelegt. Ende November hat eine Ausstellung in einem Hotel eröffnet, als finaler Akt eines Teils des Projektes. Sie lief für eine Woche und man konnte sie nur besichtigen, wenn man zuvor einen Termin vereinbart hatte. Im neuen akademischen Jahr wird ein neues Projekt entstehen. Vielleicht wird es diesmal keine Ausstellung geben. Zu den Projekten in Wien und Leipzig sind jeweils Ausstellungen entstanden. Das scheint meiner professionellen Deformation geschuldet zu sein.

Was spricht für Sie für die Arbeit an Kunsthochschulen, gerade im Vergleich zu anderen Kunstinstitutionen?

Zu studieren, ist ein besonderer Moment der Entwicklung. Solange man studiert, sollte man so viele Fehler wie möglich machen. Das Ausstellungsprojekt in Leipzig hat mit einem offenen Ausgang begonnen. Diese Freiheit bietet das Museum nicht. Es gibt derzeit nur wenige Kunstinstitutionen, die Experimente erlauben oder bewusst danach fragen. Es ist sehr schwierig, diesen institutionellen Rahmen zu verlassen. Wenn du es tust, dann riskiert du einen Job oder Reputation oder was auch immer.

Stehen Sie im Austausch mit Ruangrupa, dem Kuratorenkollektiv der Documenta 15?

Ich habe sie kürzlich in Kassel getroffen, als ich bei der Verleihung des Arnold-Bode-Preises an Hans Haacke war. Wir haben uns kurz unterhalten.

Es ist das erste Mal in der Documenta-Geschichte, dass ein Kollektiv offiziell die Großausstellung kuratiert.

Es ist zu erwarten, dass ihre documenta 15 die Re-Institutionalisierung, die radikale Transformation, die 1997 mit der documenta X von Catherine David begann, hin zur kompletten Ablehnung der spektakulären und monumentalen Dimension des Projektes fortführen wird und sie vielleicht ein völlig anderes Verständnis für die Rolle finden, die solche Ausstellungen heute spielen könnten. Die Tatsache, dass Ruangrupa über langjährige Erfahrung in der Zusammenarbeit als Kollektiv verfügt, wird es der documenta 15 bestenfalls ermöglichen, politisch zu handeln, so wie es andere Kollektive weltweit tun.

Zur Verleihung des Arnold-Bode-Preises Ende Oktober hat der Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle Sie mit Handschlag begrüßt und in seiner Rede auch noch einmal ausdrücklich "herzlich willkommen" geheißen. Wie war die Rückkehr nach Kassel für Sie?

"It made me sooo happy!"


Unsere Autorin ist Mitglied im Freundeskreis der HGB und hat im Jahr 2018 die Hängung des Documenta-14-Banners "Wir (alle) sind das Volk" von Hans Haacke an der Fassade der Hochschule initiiert