Künstler des Automobilzeitalters

John Chamberlain gestorben

Das meldet die "New York Times" unter Berufung auf die Frau des Künstlers, die keine weitere Angaben zu den Todesumständen machte.

Der in Rochester, Indiana, geborene Chamberlain wurde in den 60er-Jahren berühmt mit seinen Skulpturen aus Autoteilen: Der Amerikaner war der Erste, der Blech zu Kunst verarbeitete, traf damit den Nerv des Automobilzeitalters. Für die oft über meterhohen Gebilde bediente sich Chamberlain unter anderem an ausrangierten Cadillacs, Motorteilen, Stahlresten oder Gummi. Die Skulpturen waren indes nicht industriegefertigt, sondern wurden manuell hergestellt. Chamberlain ging es mit seinen Arbeiten um Präsenz: "Ich stelle fest", sagte er einmal, "dass selbst kleine Skulpturen einen Ort wegwischen, wenn ich sie den Leuten in die Wohnung stelle." Er schaffte es, trotz der widerspenstigen Materialien die Kunstwerke an lebende Körper, Vögel, Bäume, Schiffe oder Blumen erinnern zu lassen.

"Eine Skulptur ist etwas, das bricht, wenn es dir auf die Füße fällt", erklärte Chamberlain laut der "Times" in einem früheren Interview. Seine Werke waren stattdessen wuchtige, schwere Konstrukte, denen er Namen wie "Awesomemeatloaf", "Schizoverbia" und "Anything Goethe" gab. Chamberlain kritisierte oft die Interpretationswut der Betrachter und wollte seine Kunst nicht erklären. «Jeder will immer wissen, was es bedeutet», sagte er nach Angaben der "Times". "Selbst wenn ich es wüsste: Ich wüsste nur, was ich denke, dass es bedeutet."

Chamberlain war von 1955 bis 1956 am Black Mountain College in North Carolina, wo Künstler und Poeten wie Robert Creeley, Charles Olson und Robert Duncan ihn inspirierten. Anschließend zog er nach New York, verkehrte in Künstlerkreisen mit Malern, Schriftstellern und Bildhauern. Als seine Einflüsse nannte er oft Franz Kline und Willem de Kooning, Vertreter des Abstrakten Expressionismus. «Kline gab mir die Struktur. De Kooning die Farbe», so Chamberlain.

Seine erste Ausstellung hatte er 1962 in der New Yorker Galerie Leo Castelli. Seine Arbeiten wurden zumeist eingeordnet zwischen Pop-Art und abstrakten Expressionismus, dessen wilde, freie Ästhetik er ins Dreidimensionale übersetze. Sein Drang mit dem traditionellen Begriff der Skulptur zu brechen und die Grenzen zwischen Gebilde und Malerei verschmelzen zu lassen, begleitete sein Schaffen.

John Chamberlain vertrat die USA bei der Venedig-Biennale 1964, sechs Jahre später erhielt er seine erste große Ausstellung im Guggenheim, New York. 1982 nahm er an der Documenta 7 in Kassel teil. Ende der 1960er wagte der Künstler einen Ausflug in die Filmwelt und produzierte "The Secret Life of Hernando Cortez", den er mit den Warhol-Bekannten Taylor Mead und Ultra Violet drehte.

Chamberlain lebte zuletzt auf Shelter Island, New York. Im Sommer waren zwölf seiner Metallwerke im Rahmen der Ausstellung "Curvatureromance" in der Münchner Pinakothek der Moderne präsentiert worden. Zurzeit läuft in Köln, in der Galerie Karsten Greve, eine Ausstellung mit dem fotografischen Werk des Künstlers. Im Februar zeigt das Guggenheim New York eine große Retrospektive seines Werkes. (monopol/dpa)