John Chamberlain verwirklicht einen alten Traum mithilfe neuer Technik

Das Problem war die Größe, es fehlte die Technik und wohl auch das Geld. Und so hat John Chamberlain lange auf diesen Moment warten müssen: Bereits in den 70er-Jahren begann der Pop-Art-Veteran die Arbeit an einer neuen Werkgruppe – doch erst jetzt konnte sie realisiert werden und wird im schweizerischen Giswill nahe Luzern gezeigt.
Chamberlain wurde in den 60er-Jahren berühmt mit seinen Skulpturen aus Autoteilen: Der Amerikaner war der Erste, der Blech zu Kunst verarbeitete, traf damit den Nerv des Automobilzeitalters und fand gleichzeitig einen Weg, die wilde, freie Ästhetik des abstrakten Expressionismus ins Dreidimensionale zu übersetzen. Sein entscheidender Vorteil: Chamberlain konnte schweißen – und schrieb Kunstgeschichte.


Der Nachteil: Chamberlains Objekte kamen nicht über die Maße des menschlichen Körpers hinaus. Drei Jahrzehnte ruhten Modelle seiner „foil sculptures“ (Metallfolienskulpturen) in seinem Studio, bis er 2006 in einer Fabrik für Avantgarde-Designobjekte im belgischen Lanaken die Möglichkeit fand, bis zu drei Meter hohe Aluminiumskulpturen fertigen zu lassen. Sie wurden mit leuch­tenden Farben lackiert und mit Chamberlain-typischen Techniken bearbeitet: gefaltet, gequetscht, geknautscht. In den Räumen der More Gallery in Giswil, der ehemaligen Turbinenhalle des lokalen Elektrizitätswerkes, werden sie erstmals öffentlich gezeigt.
Der Niederländer Rudi Fuchs, ehemaliger Chef des Stedelijk in Amsterdam, hat die Ausstellung kuratiert. „Die klassische Skulptur ist ja massiv, und es kommt auf die Kontur an“, sagt Fuchs. „Bei Chamberlain aber ist immer alles hohl. Das ist nur Haut, die leuchtet und glänzt, und das sieht man auch. Die Kontur ist unwichtig bei diesen Arbeiten. Wichtig sind die Dichte und die detaillierte Struktur. Das hat nur er.“ Insgesamt sei das Spätwerk sanfter geworden: „Wo Chamberlain früher das Metall gerissen hat, biegt und faltet er es jetzt.“ Und wenn man früher die Schrottskulpturen als eine Art Mememto mori der Blechgesellschaft lesen konnte, hat Chamberlain jetzt schlicht Schönheit inszeniert: mithilfe von Chrom, Farbe und Oberfläche.

 

 

More Gallery, Giswil, Schweiz, bis 7. September.

Info: www.moregallery.ch