Retrospektive von Judy Chicago

Jeder Brand hat seinen Rauch

Judy Chicago protestiert seit Jahrzehnten gegen Machtmissbrauch und hat dem Feminismus einige seiner stärksten Bilder gegeben. Nun bekommt die US-Künstlerin eine große Retrospektive in San Francisco

Das heftig diskutierte Kunstwerk "The Dinner Party", eine feministische Interpretation des Abendmahls, machte die US-amerikanische Künstlerin Judy Chicago 1979 bekannt. Ihre Arbeiten, die häufig Unterdrückung von Frauen und soziale Ungerechtigkeit thematisieren, waren in der Kunstszene lange umstritten. Das de Young Museum in San Francisco widmet der jetzt 82-Jährigen die erste Retrospektive ihrer Werke über sechs Jahrzehnte hinweg.

Dies sei eine "längst überfällige" Würdigung der bahnbrechenden Künstlerin, sagte die Schweizer Kuratorin Claudia Schmuckli beim Rundgang durch die Schau. Judy Chicago sei durch Sexismus und Chauvinismus in der Kunstwelt über Jahrzehnte hinweg an den Rand gedrückt worden. "Plötzlich sind viele meiner Werke sehr zeitgemäß und bedeutend geworden", sagt Chicago mit Blick auf die #Me-Too-Bewegung.

Die bis Januar laufende Ausstellung zeigt mehr als 125 Werke, darunter Skulpturen, Glasobjekte, Stoffarbeiten und großformatige Bilder, von den Anfängen der jungen Feministin in den 1960er-Jahren in Los Angeles bis zu ihrer neuesten Serie über Tod und Umweltzerstörung. Ein Dutzend Glasmalereien führen bedrohte Tiere vor Augen, von Wilderern gefangene Gorillas oder Shark-Finning, bei dem lebenden Haien die Flossen abgeschnitten werden.

"Kunst kann aufklären"

Sie könne kaum über diese Arbeiten sprechen, ohne in Tränen auszubrechen, sagt Chicago, betroffen über das Ausmaß der Zerstörung durch den Menschen. "Ich glaube, dass Kunst aufklären und Leute dazu anregen kann, etwas zu tun." Feminismus drehe sich nicht nur um Frauen, betont die 82-Jährige. "Er richtet sich gegen Machtstrukturen und die Dominanz, die weißen Männern Vorrechte einräumt." Beim "Birth Project", einer riesigen teppichartigen Stickerei, setzte sich Chicago in den 80er Jahren mit dem Ereignis der Geburt auseinander. Darauf folgte die Serie "PowerPlay" mit riesigen, kritischen Bildern von Maskulinität. Das "Holocaust Project" in den 90er-Jahren beschäftigte sich mit Machtausübung und Genozid.

Die Schau zeigt auch Elemente von Chicagos berühmter "Dinner Party"-Installation, die 1979 in San Francisco ihr Debüt feierte und 1987 auch in der Frankfurter Kunsthalle Schirn zu sehen war. Ein monumentaler dreieckiger Tisch ist für 39 herausragende Frauengestalten der Geschichte gedeckt, darunter die Äbtissin Hildegard von Bingen und die Schriftstellerin Virginia Woolf. Zum Tischschmuck gehören Handarbeiten und Keramik mit viel Symbolik, darunter plastische Teller in Form weiblicher Geschlechtsteile. Als "eine Neuinterpretation des Abendmahls aus der Sicht derer, die immer gekocht haben", wollte Chicago ihr Kunstobjekt damals verstanden wissen.