"Lex Gurlitt"

Justizminister will längere Verjährungsfristen für NS-Raubkunst

München (dpa) - Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) will die Verjährungsfristen bei NS-Raubkunst verlängern. Besitzer von im Nationalsozialismus geraubter Kunst sollen nicht mehr in jedem Fall geltend machen können, dass Herausgabeansprüche früherer Eigentümer nach deutschem Recht nach 30 Jahren verjährt sind. Er habe einen Gesetzesvorschlag erarbeiten lassen, wonach jemand, der beim Erwerb «bösgläubig» war - also wusste, dass die Bilder oder andere Gegenstände, die er kauft oder erbt, ihrem Eigentümer abhandengekommen sind -, sich nicht auf Verjährung berufen kann, erläuterte Bausback dem «Spiegel» seine «Lex Gurlitt».

Das Gesetz solle rückwirkend gelten, also auch für den Fall Gurlitt. «Das ist verfassungsrechtlich zwar nicht unproblematisch, aber wir meinen, dass man das rechtfertigen kann», sagte Bausback dem Magazin. «Es wäre für mich schwer erträglich, wenn man Rückgabeforderungen solcher Eigentümer nun entgegenhalten würde, dass ihre Ansprüche verjährt sind.»

Der CSU-Politiker will sich außerdem dafür einsetzen, dass ein Teil des Münchner Kunstschatzes öffentlich ausgestellt wird. Nötig sei dafür eine «gütliche Einigung» mit dem Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt, sagte Bausback der Zeitung «Welt am Sonntag». Der Minister betonte, er wolle keinen Druck auf Gurlitt ausüben, sondern einen vertrauensvollen Dialog mit dem 80-Jährigen. «Ich hoffe, dass Herr Gurlitt sich dem nicht verschließt.»

In einer gütlichen Einigung könnten berechtigte Rückgabeforderungen berücksichtigt werden oder die Frage, wie die Bilder nach Abschluss des Verfahrens sicher verwahrt werden können. «Man könnte zum Beispiel - jedenfalls für einen Teil der Bilder - an etwas im Sinne einer Stiftungslösung denken, mit der Kunstwerke, die offensichtlich von größtem kunsthistorischem Interesse sind, auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten.» Wie genau er sich so eine Stiftungslösung vorstellt, sagte Bausback nicht.

Im «Spiegel» verteidigte er die Entscheidung, Gurlitt zunächst nur die etwa 300 Bilder zurückzugeben, die zweifelsfrei dessen Eigentum seien. Bestehe der Verdacht, dass Bilder «immer noch anderen gehören», dürfe die Staatsanwaltschaft diese nicht an den 80-Jährigen zurückgeben. Eine von der Bundesregierung geschaffene Expertenkommission soll herausfinden, bei welchen Werken es sich um NS-Raubkunst handelt - möglicherweise sind es 590.

Diese sollen im Internet in der Magdeburger Datenbank www.lostart.de veröffentlicht werden. Bislang sind dort 79 Werke aus Gurlitts Sammlung zu sehen - darunter zahlreiche Grafiken von Edvard Munch, Max Liebermann und Henri de Toulouse-Lautrec.

Steuerfahnder und Staatsanwälte hatten die Werke - Ermittler hatten 1406 gezählt, Kunstexperten nur 1280, weil sie Werkkomplexe zusammenfassten - im Frühjahr 2012 in Gurlitts Münchner Wohnung beschlagnahmt, darunter viele Werke der klassischen Moderne.

Bausback räumte ein, seit der Beschlagnahme sei «zu viel Zeit vergangen, ohne dass wir bei der Klärung der Frage, woher viele dieser Werke stammen, ausreichend vorangekommen sind». Er sagte: «Diese Aufgabe hätte von Anfang an von allen Beteiligten bei Bund und Land mit mehr Druck und Ressourcen angepackt werden sollen, keine Frage.»

Unter seiner Vorgängerin Beate Merk (CSU) habe es fünf Berichte der Staatsanwaltschaft Augsburg an das Justizministerium gegeben, «von denen zwei das Ministerbüro erreicht haben, allerdings offensichtlich nicht die politische Spitze des Hauses».

Nach Informationen des «Focus» waren seit Juli 2013 auch etliche Spitzenbeamte der bayerischen Justiz und Polizei detailliert über den Kunstschatz informiert. Der Münchner Generalstaatsanwalt Christoph Strötz berichtete demnach bei einer Tagung im oberbayerischen Fischbachau sämtlichen Staatsanwaltschafts-Leitern und Polizeipräsidenten seines Bezirks über die Ermittlungen. Auch Beamte des Bayerischen Landeskriminalamtes und des Landesamtes für Verfassungsschutz seien dabei gewesen. Die Berliner Kunsthistorikerin Meike Hoffmann, die mit der Begutachtung der Kunstwerke beauftragt worden war, habe einen detaillierten Vortrag über ihren damaligen Kenntnisstand gehalten.

Der Fall Gurlitt habe bei den Ermittlern zu diesem Zeitpunkt als wichtiges Strafverfahren gegolten. Die Fahnder hätten sich auf der Spur einer Bande von illegalen Dealern gewähnt, die im großen Stil NS-Raubkunst verkauften.

Die Leiterin der Taskforce «Schwabinger Kunstfund», Ingeborg Berggreen-Merkel, sagte dem «Spiegel», dass sie Gurlitt baldmöglichst treffen will. Dies würden «Höflichkeit und Fairness» gebieten. Zudem wolle sie natürlich erfahren, «was er über die Herkunft der Bilder weiß». Den bisherigen Umgang mit dem Kunstfund kommentierte die Juristin ebenfalls selbstkritisch: «Von heute aus betrachtet, hätten danach alle beteiligten Stellen sicherlich besser kommunizieren sollen. Das muss man einräumen.»